Die Jangada
hundert Schritten zurückzulegen.
Benito und Manoel beschlossen also, daß eine der Piroguen der Jangada gegen acht Uhr Abends von derselben unter Leitung des Piloten Araujo und bemannt mit zwei kräftigen Ruderern abstoßen sollte. Diese hätte dann den Rio Negro hinauszufahren, in den betreffenden Kanal einzubiegen, sich nach der ziemlich öden Umgebung des Gefängnisses zu begeben, und sollte dort, unter dem hohen Gebüsch am Ufer verborgen, die ganze Nacht zur Verfügung des Gefangenen bereit liegen.
Wenn Joam Dacosta auch das Fahrzeug glücklich erreichte, so entstand doch noch die Frage, wohin er sich begeben sollte.
Die beiden jungen Männer einigten sich auch über diesen Punkt, nachdem sie das Für und Wider reichlich erwogen hatten.
Nach Iquitos zurückzukehren, dazu war der Weg zu schwierig und gefahrvoll. Jedenfalls erschien er auch zu weit, ob der Flüchtling nun zu Lande dahin zu gelangen suchte, oder auch den Amazonenstrom wieder aufwärts segelte. Weder Pferd noch Pirogue mochten im Stande sein, ihn schnell genug in Sicherheit zu bringen. Auch die Fazenda selbst bot ihm in Zukunft nicht hinreichenden Schutz. Dort angekommen, war er später doch nicht mehr der Fazender Joam Garral, sondern der verurtheilte Joam Dacosta, immer davon bedroht, auf Verlangen ausgeliefert zu werden, und niemals in der Lage, das frühere Leben in Ruhe fortzuführen.
Auf dem Rio Negro nach dem Norden der Provinz oder vielleicht bis jenseits des brasilianischen Gebietes zu entfliehen, dieser Plan hätte mehr Zeit beansprucht, als Joam Dacosta zu verwenden hatte, dessen erste Sorge es ja sein mußte, sich vor unmittelbarer Verfolgung zu sichern.
Sollte er den Amazonenstrom hinabfahren? Da begegnete er am Ufer zu vielen Militärposten, Dörfern und Städten, wohin das Signalement des Flüchtlings gewiß schnell verbreitet wurde. Er lief also Gefahr, den Behörden vor Erreichung des Atlantischen Oceans wieder in die Hände zu fallen. Doch wenn es ihm auch glückte, bis dahin zu gelangen, wo hätte er sich versteckt halten können, während er eine Schiffsgelegenheit abwartete, welche ein Weltmeer zwischen das Schwert der Gerechtigkeit und ihn selbst legte?
Alle diese Auswege, von Benito und Manoel erörtert, wurden als unzweckmäßig verworfen. Nur nach einer Seite schien ihnen ein Rettungsstern zu winken.
Das Project, welches die beste Aussicht bot, war Folgendes: Gelang es überhaupt Joam Dacosta aus dem Kerker zu befreien, so sollte er die Pirogue besteigen, dem Kanal bis zum Rio Negro folgen, diesen Nebenfluß unter Leitung des Piloten bis zur Vereinigung mit dem großen Strome hinabfahren, und dann auf letzterem, immer nahe dem rechten Ufer, etwa sechzig Meilen weit hinuntersegeln, um die Mündung des Madeira zu erreichen. Dabei sollte das Boot immer nur während der Nacht weiter gehen und am Tage sich so gut es anging verbergen.
Der Madeira, der von den Cordilleren herabströmt und durch sehr viele Seitenarme starken Zufluß erhält, bildet eine wirkliche Wasserstraße bis in’s Herz von Bolivia hinein. Einer Pirogue stand dieser Weg offen; hier hinterließ der Flüchtling keine Spuren, und jenseits der Grenze Brasiliens konnte er sich dann zunächst in einem Dorfe oder Flecken verborgen halten.
In Bolivia befand sich Joam Dacosta verhältnißmäßig in Sicherheit; daselbst konnte er, wenn es nöthig wurde, mehrere Monate lang, auf eine Gelegenheit warten, um die Küste des Stillen Oceans zu erreichen und sich auf irgend einem, von dort ausgehenden Fahrzeuge einzuschiffen. Gelangte er auf diese Weise nur nach irgend einem Staate der Nordamerikanischen Union, so war er schon gerettet. Hier blieb ihm Zeit, zu erwägen, ob er sein ganzes Besitzthum veräußern, das Vaterland für immer verlassen und jenseits des Meeres, in der Alten Welt eine neue Heimat suchen sollte für das Ende seines, so grausam und rechtswidrig zerstörten Lebens.
Wo er auch hinging, seine Familie würde ihm gewiß ohne Zögern nachfolgen, und zu dieser Familie rechnete sich auch Manoel, den ja so bald unlösliche Bande an dieselbe knüpfen sollten. Das erschien übrigens so selbstverständlich daß Niemand ein Wort darüber verloren hätte.
»So komm’ nun, sagte Benito, zur Nacht muß Alles bereit sein, und wir haben keinen Augenblick zu verlieren.«
Die beiden jungen Männer kehrten längs des Kanals bis zum Rio Negro an Bord zurück. Sie überzeugten sich, ob die Pirogue in demselben auch keine Hindernisse finde und vielleicht durch
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