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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wissen, ob dieser Versuch zur Befreiung des Verhafteten nicht in Folge mißlicher Umstände kläglich scheiterte?
    Fragoso’s Mithilfe wäre bei dieser Gelegenheit gewiß sehr wünschenswerth gewesen. Der gewandte und zu Allem bereite Bursche hätte ihnen sicherlich nützliche Dienste leisten können; Fragoso aber war noch nicht wieder erschienen. Auch Lina, welche man nach ihm fragte, vermochte nicht anzugeben, was aus ihm geworden sei, noch warum er die Jangada, ohne ihr ein Wort zu sagen, verlassen habe.
    Hätte Fragoso freilich vorausgesehen, daß die Sachen auf den Punkt kommen konnten, auf welchem sie jetzt standen, so würde er die Familie Dacosta jedenfalls nicht verlassen haben, um einen Ausflug zu unternehmen, der aller Wahrscheinlichkeit nach doch zu nichts führte. Ja, gewiß wäre es besser gewesen, bei der Befreiung des Verurtheilten hilfreiche Hand zu leisten, als auf gut Glück die alten Kameraden des Abenteurers aufzusuchen.
    Fragoso war aber nun einmal nicht zur Hand und man mußte wohl oder übel von seiner Mitwirkung absehen.
    Benito und Manoel verließen die Jangada schon früh am Morgen und begaben sich nach Manao. Sie gelangten bald nach der Stadt und betraten die engen, zu dieser Stunde noch menschenleeren Straßen. Binnen wenig Minuten befanden sie sich vor dem Gefängnisse und durchstreiften nach allen Richtungen das öde Terrain, in dessen Mitte sich das als Arresthaus dienende alte Kloster ehrwürdig erhob.
    Es lag ihnen selbstverständlich viel daran, sich zunächst über die Oertlichkeit sorgsam zu orientiren.
    An einer Ecke des Gebäudes befand sich, fünfundzwanzig Fuß über dem Erdboden, das Fenster der Zelle, welche Joam Dacosta inne hatte. Es war mit einem eisernen Gitter in ziemlich schlechtem Zustande verwahrt, so daß man diese offenbar leicht herausreißen oder durchsägen konnte, wenn es nur gelang, bis an dasselbe hinaufzukommen. Die schlecht verbundenen Steine der Mauer, zwischen denen der Mörtel an manchen Stellen herausgebröckelt war, boten zahlreiche Vorsprünge, die dem Fuße genügenden Halt bieten mußten, wenn es möglich wurde, sich mittelst eines Seiles emporzuhissen. Ein solches Seil konnte vielleicht, wenn es geschickt geworfen wurde, um einen der Stäbe des Gitters geschlungen werden, der aus seiner Höhlung gehoben und nach außen gebogen war und so eine Art Haken bildete. Darauf galt es nur zwei oder drei Stäbe herauszuheben, so daß ein Mensch sich hindurchzwängen konnte,
     

    Der Richter, geistig und körperlich erschöpft. (S. 309.)
     
    und dann konnte eine Entführung mit Hilfe jenes an dem Fenstergitter befestigten Seiles keine weiteren Schwierigkeiten darbieten. Während der Nacht, welche dem Aussehen des Himmels nach sehr dunkel zu werden versprach, durfte man wohl annehmen, daß alle diese Vorbereitungen unbemerkt von statten gehen würden und Joam Dacosta vor Anbruch des Morgens befreit und in Sicherheit sein werde.
    Wohl eine Stunde lang wandelten Benito und Manoel hin und her, um die Aufmerksamkeit Anderer nicht zu sehr auf sich zu lenken, und merkten sich Alles genau, sowohl die Lage des Fensters und den Zustand der Vergitterung desselben, wie auch die Stelle, von welcher aus ein Seil am bequemsten geworfen werden konnte.
    »Das wäre also abgemacht, sagte darauf Manoel, aber meinst Du, daß wir Deinen Vater vorher benachrichtigen?
    – Nein, Manoel! antwortete Benito mit einer gewissen Besorgniß. Ich denke, wir verheimlichen unser Vorhaben, das ja mißglücken könnte, ihm ebenso wie unserer Mutter.
    – Wir führen es durch, Benito! antwortete Manoel voll Zuversicht. Und doch will Alles bedacht sein, z. B. wenn der Gefängnißaufseher gerade zur Zeit der Entweichung aufmerksam würde?…
    – So werden wir Gold genug haben, uns das Schweigen des Mannes zu erkaufen, erwiderte Benito.
    – Ganz gut, sagte Manoel. Doch wenn unser Vater aus dem Kerker befreit ist, kann er weder in der Stadt noch auf der Jangada verborgen bleiben. Wo soll er dann Schutz suchen?«
     

    An einer Ecke des Gebäudes. (S. 311.)
     
    Diese zweite und sehr wichtige Frage verlangte gebieterisch eine Lösung, und fand sie in folgender Weise:
    Etwa hundert Schritte von dem Gefängnisse durchschnitt die unbebaute Nachbarschaft einer jener Kanäle, welche unterhalb der Stadt in den Rio Negro ausmünden. Dieser Kanal bot einen bequemen Weg, den Fluß zu erreichen, wenn den Flüchtling hier eine Pirogue erwartete. Vom Fuße der Mauer bis zum Kanal war kaum ein Weg von

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