Die Jangada
Dienstboten in ihren Wohnungen, Zelten und Hütten den Fluß hinabtrug.
Die Farm von Iquitos enthielt ein großes Areal jener herrlichen Wälder, welche in dem centralen Theile Südamerikas geradezu unerschöpflich erscheinen.
Joam Garral verstand sich vortrefflich auf die Bewirthschaftung dieser Urwälder, welche reich an kostbaren Holzarten sind, die sich zur gewöhnlichen, wie zur Kunsttischlerei, zum Schiffsbau wie zu Zimmerarbeiten gleichmäßig gut eignen, und er bezog daraus auch jährlich nicht unbeträchtliche Einkünfte.
Der Strom bot sich ja so zu sagen ganz von selbst als das eigentliche Transportmittel für diese Erzeugnisse der demselben benachbarten Urwälder an und führte sie sicherer und jedenfalls billiger als ein Schienenweg ihrem Bestimmungsorte zu. So ließ Joam Garral jedes Jahr einige hundert Bäume fällen, verband sie zu den dort gebräuchlichsten ungeheueren, aus Pfosten, Planken und roh bearbeiteten Stämmen gezimmerten Flößen, welche er unter Leitung erfahrener, mit der Tiefe des Flußbettes und den verschiedenen Strömungen desselben bekannter Schiffer nach Para hinunter sendete.
Genau dieses Verfahren sollte denn auch jetzt wieder eingehalten werden; nur gedachte er, nach Herrichtung des Flosses, die Durchführung des wichtigen Handelsunternehmens diesesmal Benito anzuvertrauen. Uebrigens war keine Zeit zu verlieren; den Anfang des Juni kannte man als die günstigste Zeit, da die von dem Hochwasser des oberen Beckens geschwollenen Fluthen von da ab bis zum October beständig abnehmen.
Die Vorarbeiten sollten also sofort in Angriff genommen werden, da der Holztrain diesesmal auf außergewöhnliche Dimensionen berechnet wurde. Zu dem Ende sollte eine halbe Quadratmeile Waldung nahe der Vereinigung des Nanay mit dem Hauptstrome, das heißt also an dem nach der Wasserseite vorspringenden Winkel des Gebietes der Fazenda, gefällt werden, um daraus eine jener Jangadas oder Stromflöße zu bilden, welche hier schon mehr die Dimensionen einer kleinen Insel erreichte.
Auf dieser Jangada, welche mehr Sicherheit bot, als irgend ein anderes landesübliches Fahrzeug, und mehr Raum, als hundert verkoppelte Egariteas oder Vigilingas, sollte sich Joam Garral mit seiner Familie, seinen Leuten und der Ladung jeder Art einschiffen.
»Ein prächtiger Gedanke! rief Minha jubelnd und in die Hände klatschend, als sie die Absicht ihres Vaters vernommen hatte.
– Gewiß, sagte auch Yaquita, da wir auf diese Weise Para ohne Gefahr und Ermüdung erreichen werden.
– Und während der Zeit, wo wir unterwegs anhalten, kann ich in den Uferwäldern jagen gehen! meinte Benito.
– Die Sache dürfte nur etwas lange Zeit in Anspruch nehmen, bemerkte Manoel; sollten wir nicht lieber ein anderes Beförderungsmittel wählen, um schneller den Strom hinab zu gelangen?«
Etwas lange mußte die Fahrt zwar währen; der im Grunde doch selbstsüchtige Einwurf des jungen Arztes wurde aber von Niemand gebilligt.
Joam Garral ließ einen Indianer rufen, den ersten Aufseher seiner Fazenda.
»In einem Monate, sagte er, muß die Jangada im Stande und fertig zur Abreise sein.
– Wir gehen noch heute an’s Werk, Herr Garral,« antwortete der Aufseher.
Es war eine harte Arbeit. Gegen hundert Indianer und Schwarze verrichteten in der ersten Hälfte des Mai wahrhafte Wunder. Manche, an die Niedermetzlung solcher Massen von Bäumen weniger Gewöhnte würden vielleicht geseufzt haben, wenn sie die stolzen, Jahrhunderte alten Waldriesen binnen wenigen Stunden unter der Axt der Holzfäller dahinsinken sahen; solche Bäume gab es aber flußaufwärts auf den Strominseln, so weit das Auge auf beiden Seiten des Wassers reichte, in so großer Menge, daß die Niederlegung einer halben Quadratmeile Wald kaum eine merkbare Lücke hinterlassen konnte.
Bald war nichts mehr übrig, als die ihres Gipfels beraubten Stämme.
Unter Leitung des Aufsehers hatten die Leute, nach erhaltener Instruction von Joam Garral, zuerst den Erdboden von Lianen, Gestrüpp, Strauchwerk und baumartigen Pflanzen, die denselben gänzlich bedeckten, zu säubern. Bevor sie Säge und Beil zur Hand nehmen konnten, arbeiteten sie mit dem sogenannten »Abatis«, dem für Jeden unentbehrlichen Werkzeuge, der in die Waldmassen des Amazonenstromes eindringen will. Dieser Abatis besteht aus einer langen, leicht gebogenen, breiten, flachen und zwei bis drei Fuß langen Klinge, welche in einem festen Handgriffe steckt und von den Indianern mit merkwürdiger
Weitere Kostenlose Bücher