Die Jangada
da unten so wie hier…
– Ei was, Manoel, und Du, Schwesterchen, fiel Benito ein, Ihr seid doch wahrlich nicht hierher gekommen, um Euch Zärtlichkeiten zu sagen!… Vergeßt einmal auf ein paar Stunden, daß Ihr verlobt seid!
– Nicht eine Stunde! Nicht einen Augenblick! versetzte Manoel.
– Auch nicht, wenn Minha Dir das befiehlt?
– Minha wird das nicht befehlen!
– Nun, wer weiß? sagte Lina lachend.
– Ja, Lina hat Recht! erklärte Minha, während sie Manoels Hand leise drückte. Versuchen wir, es zu vergessen!… Löschen wir jede Erinnerung an unser Verhältniß aus! Mein Bruder wünscht es!… Alles ist gebrochen Alles. So lange dieser Spaziergang dauert, sind wir nicht mehr verlobt. Ich bin ebensowenig die Schwester Benitos! Du bist nicht ferner dessen Freund…
– Das wäre! rief Benito.
– Herrlich, herrlich! Jetzt sind Fremde hier! jubelte die junge Mulattin in die Hände klatschend.
– Fremde, die sich zum ersten Male sehen, fügte Minha hinzu, sich zufällig begegnen und begrüßen…
– Mein Fräulein… sagte Manoel, sich vor Minha verneigend.
– Mit wem habe ich die Ehre, mein Herr? fragte das junge Mädchen im größten Ernste.
– Manoel Valdez, der sich glücklich schätzen würde, wenn Ihr Herr Bruder ihn vorstellen wollte…
– Ach, zum Kukuk mit diesen Formalitäten! fiel Benito ein; das war eine recht dumme Idee von mir. Spielt nur lieber Brautleute so viel Ihr wollt, jetzt und immer!
– Immer!« sagte Minha, der dieses Wort so unwillkürlich entfuhr, daß Lina nur noch herzlicher lachte.
Ein recht inniger Blick Manoels belohnte das junge Mädchen für diese Unvorsichtigkeit ihrer Zunge.
»Wenn wir weiter gingen, würden wir weniger plaudern! Vorwärts!« meinte Benito, um der Verlegenheit seiner Schwester ein Ende zu machen.
Minha schien aber solche Eile gar nicht zu haben.
»Verzeihe, lieber Bruder, erwiderte sie, Du hast gesehen, daß ich Dir gehorchen wollte. Du wolltest Manoel und mir die Verpflichtung auferlegen, uns zu vergessen, um Deinen Spaziergang nicht zu beeinträchtigen. Nun, ich habe auch eine Gegenforderung an Dich, um dem meinigen nicht zu schaden. Du wirst mir, ob gern oder nicht, das Versprechen geben, Du, Benito, in eigener Person, jetzt ebenfalls zu vergessen…
– Zu vergessen?
– Zu vergessen, daß Du leidenschaftlicher Jäger bist, mein Herr Bruder!
– Wie, Du wolltest mir verwehren…
– Ich verbiete Dir, nach unseren hübschen Vögeln zu schießen, nach den Pagageien, Sittichen, den Caciques, Kurukus und anderen, die so lustig durch die Wälder flattern. Das Verbot gilt ebenso für eßbares Wild, mit dem wir heute doch nichts anfangen könnten. Sollte uns ein Onça, ein Jaguar oder anderes Raubthier zu nahe kommen, hast Du freie Hand!
– Aber ich bitte Dich…, entgegnete Benito.
– Wo nicht, nehme ich Manoels Arm; dann wandeln wir, wie es uns gefällt, weiter, verlieren uns, und Dir wird nichts Anderes übrig bleiben, als uns nachzulaufen!
– Nun, Dir wär’s wohl recht, wenn ich meiner Schwester nicht nachgäbe? sagte Benito, seinen Freund Manoel ansehend.
– Warum denn nicht! antwortete der junge Mann.
– Nein, nun erst recht nicht, rief Benito, ich folge dem Gebote, ich gehorche Dir zum Possen! Also vorwärts!«
Von dem Neger begleitet wandelten nun alle Vier unter den herrlichen Bäumen dahin, durch deren dichtes Blätterwerk die Sonne keinen Eingang fand.
Es giebt kaum einen schöneren Anblick, als ihn diese Partie des rechten Ufers am Amazonenstrome bietet. Hier erheben sich bunt durcheinander so viele verschiedene Baumarten, daß man auf einer Quadratmeile wohl hundert Varietäten dieser schönen Pflanzenfamilien finden könnte. Ein Forstmann würde auch leicht erkannt haben, daß hier noch kein Holzfäller mit Beil und Axt gearbeitet hatte, das wäre selbst nach Jahrhunderten bemerkbar gewesen. Jüngere Bäume, selbst solche von hundert Jahren, konnten nicht dasselbe Bild bieten wie die ursprünglichen Stämme, deshalb nämlich, weil ihre Umhüllung mit Lianen und anderen Parasiten einen deutlichen Unterschied gezeigt hätte; ein Eingeborner wenigstens wäre sich auf den ersten Blick darüber klar gewesen.
Scherzend und lachend schlüpfte die lustige Gesellschaft in dem hohen Grase, durch Dickichte und Buschwerk dahin. Mit dem Abatis bahnte der Neger, wo es nöthig wurde, erst den Weg, theilte das zu dicht verworrene Gezweig und scheuchte Tausende von Vögeln dabei auf.
Minha hatte ganz recht daran
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