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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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müsse, da er jenem Vorschlage zustimmt.
    – Nun, meinetwegen, wir wollen einmal närrisch sein, wenn es Allen paßt! erklärte Minha. Wir gehen also dieser Liane nach!
    – Du fürchtest dabei nicht… begann Manoel.
    – Immer noch Einwendungen! rief Benito. Du würdest nicht so sprechen, und schon längst auf dem Wege sein, wenn Minha Dich am Ziele erwartete.
    – Ich schweige, erklärte Manoel, ich sage kein Wort und gehorche. Wir gehen der Liane nach!«
    Alle brachen freudig auf, wie Kinder, wenn es in die Ferien geht.
    Er konnte sie weit wegführen, dieser Pflanzenfaden, wenn sie dabei verharrten, ihm wie einem Ariadnefaden bis zum Ende zu folgen – abgesehen davon, daß der Faden der Erbin von Minos dazu diente, aus dem Labyrinthe herauszukommen, während dieser hier nur weiter in ein solches verlockte.
    Die betreffende Liane, ein Cipo, bekannt unter dem Namen »rothe Japicanga«, gehörte zur Familie Smilax, deren Länge zuweilen mehrere Meilen beträgt. Doch die Ehre war bei diesem Versuche ja nicht verpfändet.
    Der Cipo verlief ununterbrochen von einem Baume zum andern, schlang sich hier um einen Stamm und schlängelte sich dort guirlandenartig zwischen den Zweigen hin, ging von einem Drachenblut-auf einen Palisanderbaum, von einem riesigen Kastanienbaume, der »Bertholettia excelsa« auf eine jener Weinpalmen, jener, »Baccabas« über, deren Zweige von Agassiz ganz treffend mit grün gesprenkelten Korallenstäben verglichen worden sind. Weiter lief der Faden über »Tucumas« hin, über eine Feigenbaumart, die sich wie hundertjährige Oelbäume regelmäßig um sich selbst winden und von denen man in Brasilien nicht weniger als dreiundvierzig Arten zählt; über verschiedene Sorten Euphorbiaceen, welche Kautschuk liefern; über »Gualtes«, das sind Palmen mit glattem, feinem eleganten Schafte; über Cacaobäume, welche an den Ufern der Wasserläufe im Becken des Amazonenstromes wild wachsen, sowie über verschiedene Melastomen, von denen einige lebhafte rosenrothe Blüthen zeigen, andere wieder Rispen von weißlichen Beeren tragen.
    Wie oft mußte die heitere Gesellschaft aber Halt machen, wenn der leitende Faden verloren schien. Welche Mühe verursachte es manchmal, ihn aus dem Gewirr parasitischer Gewächse wieder herauszufinden!
    »Da, da! rief Lina, ich sehe ihn!
    – Du irrst, erwiderte Minha, das ist er nicht, das ist eine andere Liane.
    – Doch, Lina hat Recht! bestätigte Benito.
    – Nein, Lina hat Unrecht!« erwiderte natürlich Manoel.

    Da gab es denn sehr ernste, gründliche Debatten, wo Jeder auf seiner Ansicht beharrte.
    Zuletzt blieb nichts anderes übrig, als daß Benito von der einen und der Schwarze von der anderen Seite die Bäume erkletterten und nach den von dem Cipo umschlungenen Zweigen zu gelangen suchten, um dessen Verlauf zweifellos nachzuweisen.
    Ein Vergnügen war es freilich kaum zu nennen, so unter dem Zweiggewirr der Bäume umherzukriechen, durch das sich die Liane schlängelte, inmitten der »Karatas« (eine Bromelienart) mit langen, scharfen Dornen, der Orchideen mit röthlichen Blüthen und violetten handbreiten Unterlippen, oder der »Onicidien«, welche noch schlimmer verfitzt erscheinen als ein Garnknaul unter den Pfoten einer jungen Katze.
    Senkte sich die Liane dagegen zum Erdboden herab, so war es nicht minder schwierig, sie unter den dichtstehenden Lycopoden, den großblättrigen Heliconien, den Calliandras mit rothen Troddeln, den Rhipsalen, welche sich um dieselbe wiederum wie der Draht um eine elektrische Rolle schlingen, zwischen den Knoten der großen, weißen Trichterwinden, unter den fleischigen Stengeln der Vanille, überhaupt unter dem Gemisch von Passionsblumen, Brindillen, wildem Wein und dergleichen festzuhalten und zu verfolgen.
    Fand man dann den Cipo richtig wieder, da gab es einen hellen Jubel und schnell wurde die unterbrochene Wanderung wieder aufgenommen.
    Seit einer Stunde schon liefen die jungen Leute so weiter und weiter, doch nichts deutete darauf hin, daß sie sich ihrem eigensinnig verfolgten Ziele näherten. Man schüttelte zuweilen tüchtig an der Liane, diese gab aber nicht nach; höchstens flogen dabei Hunderte von Vögeln auf und Affengesellschaften sprangen, wie um den Weg zu zeigen, von einem Baume zum andern.
    Sperrte ein Dickicht den Weg, so brach der Abatis Bahn und Alle drängten sich so gut es ging hindurch. Schlängelte sich die Liane gleich einer Schlange über einen grün bewachsenen Felsen, so kletterte man hinauf und

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