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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gethan, für die kleine gefiederte Welt, welche zwischen den hohen Gipfeln flatterte, einzutreten. Hier wimmelte es geradezu von den schönsten Exemplaren der tropischen Fauna. Grüne Papageien, schreiende Sittiche erschienen wie natürliche Früchte der riesigen Bäume. Blaue, rothe glänzende Kolibris aller Art, »Tisauras« mit langen, scheerenförmigen Schwänzen glichen abgerissenen Blüthen, welche der Wind von einem Zweige zum anderen trug. Orangefarbene, an den Flügeln braun geränderte Amseln, goldstreifige Feigendrosseln und rabenschwarze »Sabias« pfiffen und zwitscherten unaufhörlich durcheinander. Der lange Schnabel des Pfefferfressers pickte an den goldigen Trauben der, »Guiriris«. Brasilianische Grünspechte wiegten das kleine purpurgetüpfelte Köpfchen hin und her. Es war eine herrliche Augenweide.
    Die ganze Vogelwelt aber schwieg und suchte sich zu verbergen, wenn in den Baumkronen der »Alma de gato« (Katzenseele, ein hellgelber Specht) gleich einer verrosteten Wetterfahne knarrte. Und wenn dieser stolz, mit ausgebreiteten Schwanzfedern umherschwebte, so entfloh er doch, sobald höher oben ein »Gaviao«, ein großer Adler mit schneeweißem Kopfe, der Schrecken der gefiederten Waldbewohner, sichtbar wurde.
    Minha machte Manoel aufmerksam auf diese Wunder der Natur, die er in den civilisirteren Provinzen des Ostens in ihrer Ursprünglichkeit nicht wieder finden konnte. Manoel lauschte dem jungen Mädchen mehr mit den Augen als mit dem Ohre. Uebrigens ertönte das Geschrei und der Gesang der unzähligen Vögel oft so laut, daß er sie gar nicht hätte verstehen können. Nur das herzhafte Lachen Linas vermochte zuweilen all’ dieses Glucksen, Piepen, Heulen, Pfeifen und Rucksen zu übertönen.
    Nach einer Stunde war kaum eine Meile zurückgelegt worden. Mit der weiteren Entfernung vom Ufer veränderte sich auch der Anblick der Bäume. Animalisches Leben herrschte nun weniger in der Nähe des Erdbodens als siebenzig bis achtzig Fuß darüber, wo ganze große Heerden von Affen einander
     

    Zuweilen erschien ein Pärchen Strauße. (S. 66.)
     
    in den Zweigen jagten und verfolgten. Hier drang an einzelnen Stellen wohl auch einmal ein Sonnenstrahl bis zum Unterholz hinab. In den Tropenwäldern scheint das Licht wirklich kaum eine zum Leben nothwendige Rolle zu spielen. Die Luft allein genügt zur Ausbildung der größten wie der kleinsten Gewächse, der Bäume und der niedrigen Pflanzen, welche die zur Bewegung ihrer Säfte nothwendige Wärme nicht aus der umgebenden Luft,
     

    Ohne Zögern eilte die junge Mulattin Benito nach. (S 71.)
     
    sondern aus dem Schoße der Erde beziehen, wo sie sich wie in einer ungeheueren Calorifere ansammelt. Und wie oft war man versucht, von den Bromelias, Serpentinen, Orchideen, den Cacteen und allen den Parasiten, welche unter dem großen einen kleinen Wald für sich bilden, prächtige Insecten abzupflücken, als ob es Blumen wären, blauflügelige, schillernde Nestors, goldglänzende, grüngestreifte Leilusfalter, Aggripinas, Nachtfalter von zehn Zoll Länge mit blätterartigen Flügeln; ferner »Maribundas«-Bienen, eine Art lebender, in Gold gefaßter Smaragden; dazu Legionen von leuchtenden Coleopteren, »Valagumen« mit bronzenem Brustschilde und grünen Flügeldecken, aus deren Augen ein gelblicher Lichtschein hervorstrahlt, und welche mit Einbruch der Nacht den ganzen Wald mit ihrem vielfarbigen Geflimmer erleuchten.
    »O wie herrlich, wie wunderbar schön! rief entzückt das junge Mädchen.
    – Aber, Minha, erwiderte Benito, Du bist ja hier zu Haus, oder hast das doch gesagt, und nun prahlst Du mit Deinen Schätzen!
    – Spotte nur, Brüderchen! antwortete Minha. Es wird mir wohl gestattet sein, die Schönheiten der Heimat zu bewundern, nicht wahr, Manoel? Sie kommen ja aus Gottes Hand und sind Eigenthum eines Jeden!
    – Laß nur Benito lachen! sagte Manoel, er verstellt sich jetzt und schwärmt gelegentlich ganz ebenso in Bewunderung der Schönheit der Natur. Freilich, wenn er die Flinte unter dem Arme hat, dann Adieu Poesie!
    – So sei doch auch jetzt Poet, lieber Bruder! bemerkte das junge Mädchen.
    – Ei gewiß, ich bin also Poet! versetzte Benito. O, du entzückende Natur u. s. w.«
    Minha hatte durch ihr Verbot des Gebrauchs der Flinte Benito freilich eine harte Entbehrung auferlegt. An Wild fehlte es in dem Walde nicht, und es wäre genug Gelegenheit zu einem schönen Schusse gewesen.
    An minder dichten Stellen, wo der Blick weiterhin

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