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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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über denselben hinweg.
    Bald öffnete sich eine Art Lichtung. Hier in der freien Luft, die ihr ebenso nöthig ist wie die Sonnenstrahlen, stand eine Banane, der den Tropen allein eigenthümliche Baum, der, wie Humboldt sagt, »den Menschen in der Kindheit der Civilisation begleitet hat, der Ernährer der Bewohner in den heißen Zonen,« vereinzelt in der Mitte.
    »Machen wir nun endlich Halt? fragte Manoel.
    – Nein, und tausendmal nein! erwiderte Benito… Nicht eher als bis wir das Ende der Liane in der Hand halten.
    – Es scheint mir aber doch Zeit zu sein, bemerkte Minha, auch an den Rückweg zu denken.
    – Ach, liebste Herrin, noch ein Stückchen, nur ein Stückchen weiter! bat Lina.
    – Immer, immer weiter!« sagte Benito.
    Wiederum eilten die Unbesonnenen in den Wald hinein, der hier etwas dünner wurde und das Fortkommen erleichterte.
    Der Cipo schlug überdies eine mehr nördliche Richtung ein und schien sich nach dem Strome zurückzuwenden. So konnte man ihm besser folgen, da man sich dem rechten Ufer näherte, an dem der Rückweg bequemer sein mußte. Eine Viertelstunde später standen Alle in einer Schlucht vor einem kleineren Zuflusse des Amazonenstromes still. Ueber den Wasserlauf aber streckte sich eine Brücke aus »Bejucos-Lianen«, verstärkt von netzartig verflochtenen Zweigen. Der Cipo theilte sich hier in zwei Stränge und führte gleichsam als Geländer von dem einen Ufer zum andern.
    Benito, der den Uebrigen stets voraus war, hatte schon den schwankenden Boden der natürlichen Brücke betreten.
    Manoel wollte das junge Mädchen zurückhalten.
    »Bleib’ hier, bleib’ hier, Minha! bat er. Benito mag weiter gehen, wenn es ihm beliebt, wir erwarten ihn hier zurück.
    – O nein, kommen Sie Alle, drängte Lina. Keine Furcht! Die Liane scheint dünner zu werden. Wir siegen noch, wir finden ihr Ende!«
    Ohne Zögern eilte die junge Mulattin Benito nach.
    »Das sind doch wahre Kinder! meinte Minha. Komm’, lieber Manoel, wir müssen doch wohl mitgehen.«
    So überschritten denn Alle die Brücke, welche über der Schlucht wie eine Schaukel schwankte, und verschwanden auf’s Neue unter dem Blätterdache der riesigen Bäume.
    Kaum zehn Minuten mochten sie so dem endlosen Cipo in der Richtung nach dem Strome gefolgt sein, als Alle wiederum – und diesesmal nicht ohne Grund – Halt machten.
    – Sind wir endlich am Ende dieser entsetzlichen Liane? fragte das junge Mädchen.
    – Das zwar nicht, erwiderte Benito, doch erscheint es mir gerathen, nur vorsichtig weiter zu gehen. Da, seht!…«
    Benito wies bei diesen Worten auf den Cipo, der in dem Gezweig eines hohen Feigenbaumes verloren, offenbar heftig hin und her gezerrt wurde.
    »Ja, aber was ist das? fragte Manoel.
    – Wahrscheinlich zerrt ein Thier daran, dem wir uns nicht unbesonnen nähern dürfen!«.
    Benito machte sein Gewehr schußfertig, gab den Anderen durch Zeichen zu verstehen, daß sie zurückbleiben sollten, und wagte sich, aufmerksam lauschend, zehn Schritte weiter vor.
     

    Manoels Bemühungen gelang es, ihn wieder zum Leben zu bringen. (S. 73.)
     
    Manoel, die beiden jungen Mädchen und der Schwarze blieben unbeweglich auf dem Platze zurück.
    Plötzlich hörten sie einen Aufschrei Benitos, den sie auf einen Baum zuspringen sahen. Alle eilten nach derselben Seite hin.
    Da bot sich ihnen ein unerwartetes und keineswegs angenehmes Schauspiel.
    Die Liane um den Hals geschlungen, hing ein Mann, von dessen letzten Zuckungen im Todeskampfe die Erschütterungen der Liane hergerührt hatten.
    Benito aber hatte sich schon auf den Unglücklichen gestürzt und den Cipo mit dem Messer durchschnitten. Der Erhenkte glitt auf die Erde nieder. Manoel beugte sich über denselben, um ihn, wenn es nicht zu spät war, in’s Leben zurückzurufen.
    »Ach, der arme Mann! murmelte Minha.
    – Herr Manoel, Herr Manoel, rief Lina, er athmet noch, sein Herz schlägt noch – Sie müssen ihn retten!
    – Das hoffe ich auch, antwortete Manoel, doch ich glaube, es war die höchste Zeit.«
    Der Gehenkte war ein Mann von etwa dreißig Jahren, ein sehr ärmlich gekleideter, entsetzlich abgemagerter Weißer, der offenbar sehr viel gelitten hatte.
    Ihm zu Füßen lag eine leere Kürbisflasche, ein Kugelsänger aus Palmenholz, an dem an Stelle der Kugel ein Schildkrötenkopf mittelst Faden befestigt war.
    – Nein, sich aufzuhängen, sich aufzuhängen, wiederholte Lina, und noch so jung! Was mag ihn dazu getrieben haben?«
     

    Der Bau wurde nun

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