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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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der Nil und der Missouri-Mississippi, verlaufen, der eine von Süden nach Norden in Afrika, der andere von Norden nach Süden quer durch Nordamerika. Sie berühren dabei selbstverständlich Gebiete von sehr verschiedener Breitenlage und strömen folglich auch durch stark von einander abweichende Klimate.
    Der Amazonenstrom dagegen liegt vollständig, wenigstens von der Stelle an, wo er sich nahe an der Grenze von Peru und Ecuador direct nach Osten wendet, zwischen dem zweiten und vierten Grade nördlicher Breite. Demnach herrschen über dessen ausgedehntem Becken überall dieselben klimatischen Verhältnisse.
    Diese zeigen deutlich zwei verschiedene Jahreszeiten, während deren, in einem Zwischenraume von sechs Monaten, Regen fällt oder Dürre herrscht. Im nördlichen Brasilien beginnt die Regenzeit mit dem September, im südlichen Theile dagegen mit dem März. Die Folge davon ist, daß die Zuflüsse an dem rechten und dem linken Stromufer mit halbjährigem Intervall ein Steigen des Wassers veranlassen. Das Niveau des Amazonenstromes erreicht dadurch alternirend seine größte Erhebung im Juni und sinkt dann allmählich bis zum October herab.
    Auch Joam Garral wußte das und wollte diesen Umstand benutzen, die Jangada, nachdem sie auf dem Lande fertig gezimmert war, ohne eigenes Zuthun vom Wasser aufheben zu lassen. Der Amazonenstrom steigt und fällt nämlich gegenüber dem mittleren Niveau bis um dreißig bis vierzig Fuß; hiermit gewann der Fazender Spielraum genug, um sich die Arbeit so bequem als möglich zu machen.
    Der Bau wurde nun unverzüglich in Angriff genommen. Auf dem geräumigen Strande sonderte man die Stämme nach ihrer Größe, mußte aber auch auf deren Schwimmkraft ein Auge haben. Unter den harten und schweren Holzarten fanden sich nämlich auch einzelne, deren specifisches Gewicht dem des Wassers gleichkommt.
    Die Grundschicht des Flosses wurde nicht aus nahe nebeneinander liegenden Stämmen gebildet; man ließ zwischen denselben vielmehr einen mäßigen Raum frei, der zur Erhöhung der Haltbarkeit des ganzen Baues mit starken Querplanken verbunden wurde. Daneben waren alle mit »Piaçaba«-Tauen umschlungen, welche ebenso fest halten wie Hanftaue. Das genannte Material gewinnt man aus den Zweigen einer, an den Ufern des Stromes sehr häufig vorkommenden Palmenart, und es wird überall im Lande zu ähnlichen Zwecken verwendet. Die Piaçabafasern schwimmen, leiden nicht durch Nässe und sind leicht zu gewinnen, wodurch sie zu einem sehr gesuchten Artikel wurden, der auch schon in der alten Welt im Handel vorkommt.
    Auf die Doppelschicht von Stämmen und Planken wurden dann die Pfosten und Bretter gelegt, welche, dreißig Zoll über dem Wasserspiegel, gewissermaßen das Deck der Jangada zu bilden hatten. Von letzteren wurden sehr viele verwendet, wovon man sich leicht einen Begriff machen kann, wenn man bedenkt, daß dieser Holztrain bei einer Länge von tausend eine Breite von sechzig Fuß, also eine Oberfläche von sechzigtausend Quadratfuß hatte. In der That, hier wurde ein ganzer Wald den Fluthen des Amazonenstromes übergeben.
    Die eigentlichen Bauarbeiten leitete Joam Garral zwar selbst; nach deren Beendigung aber, als die Frage der Einrichtung des Fahrzeuges auf die Tagesordnung kam, wurden Alle zu Rathe gezogen und selbst der wackere Fragoso nicht ausgeschlossen.
    Wir erwähnen hier nur mit kurzen Worten, wie sich seine Stellung in der Fazenda gestaltet hatte.
    Noch niemals mochte sich der Barbier so glücklich gefühlt haben, als seit dem Tage, wo er bei der gastfreundlichen Familie Aufnahme fand. Joam Garral hatte ihm angeboten, ihn nach Para mitzunehmen, wohin er eben wandern wollte, als jene Liane, sagte er, »ihn am Halse packte und auf der Stelle festhielt!«
    Fragoso nahm dieses Anerbieten selbstverständlich gern und mit herzlichem Danke an, und suchte sich seitdem, aus Erkenntlichkeit, in jeder Art und Weise nützlich zu machen. Es war übrigens ein recht intelligenter Bursche, »Einer mit zwei rechten Händen«, wie man zu sagen pflegt, das heißt geschickt, Alles auszuführen und es auch gut auszuführen. Ebenso lustig wie Lina, immer ein Liedchen summend und reich an witzigen Einfällen, war er sehr bald bei Allen beliebt geworden.
    Immer erinnerte er sich aber, daß er an die junge Mulattin die größte Schuld abzutragen habe.
    »Das war doch eine herrliche Idee von Ihnen, Fräulein Lina, wiederholte er Tag für Tag, einmal »Lianen suchen« zu spielen. Wahrhaftig, das ist

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