Die Jangada
Dienste bedarf.
– Mit Vergnügen; doch bitte ich um eine Minute Geduld, bis ich »Madame vollendet« habe!«
Nach einigen Strichen war das geschehen.
Obwohl der Letztgekommene eigentlich nicht berechtigt war, den frei gewordenen Platz einzunehmen, setzte sich dieser doch auf den Schemel, ohne daß die Eingebornen, welche dadurch in der Reihenfolge gestört wurden, dagegen Einspruch erhoben.
Fragoso legte die Brenneisen bei Seite, ergriff dafür die Scheere und fragte nach gewöhnlichem Geschäftsgebräuche:
»Was befehlen Sie, mein Herr?
– Wollen Sie mir gefälligst Bart und Haare verschneiden, erwiderte der Fremde.
– Ganz wie Sie wünschen!« sagte Fragoso, indem er schon den Kamm in das dichte Haupthaar seines Clienten senkte.
Bald begann nun auch die Scheere ihre Arbeit.
»Sie kommen wohl von weit her? fragte Fragoso, der bei seiner Beschäftigung stets zu plaudern pflegte.
– Ich komme aus der Nähe von Iquitos.
– Was Sie sagen! Ich nämlich auch! rief Fragoso. Ich bin von Iquitos bis Tabatinga auf dem Amazonenstrome heruntergefahren. Darf ich wohl nach Ihrem werthen Namen fragen?
– Warum nicht? erwiderte der Fremdling. Ich heiße Torres.«
Nachdem er das Haar seines Kunden »nach neuester Mode« zurecht geschnitten, begann Fragoso auch dessen Bart zu stutzen; als er jenen dabei aber zuerst genauer von Gesicht sah, hielt er unwillkürlich mit der Arbeit ein.
»Ei, Herr Torres, begann er, wäre es möglich… Ich glaube Sie wiederzuerkennen. Sollten wir uns nicht schon irgendwo gesehen haben?
– Das glaube ich kaum! entgegnete Torres schnell.
– So täusche ich mich also!« antwortete Fragoso.
Er begann seine Arbeit von Neuem.
Torres nahm bald danach das durch Fragoso’s Frage unterbrochene Gespräch wieder auf.
»Wie sind Sie von Iquitos hierhergekommen? fragte er.
– Von Iquitos nach Tabatinga?
– Ja.
– An Bord eines Holztransports, wo mich ein wackerer Fazender aufnahm, der mit seiner Familie den Amazonenstrom hinabfährt.
– Ei, sehen Sie, guter Freund, erwiderte Torres, das könnte mir passen, wenn Ihr Fazender auch mich aufnehmen wollte…
– Sie beabsichtigen also gleichfalls, den Strom hinab zu reisen?
– Gewiß.
Bis nach Para?
– Nein, nur bis Manao, dort habe ich Geschäfte.
– Nun, mein Wirth ist ein sehr zuvorkommender Mann; ich glaube sicherlich, daß er Ihnen diesen Dienst erweisen wird.
– Sie glauben das?
– Ich möchte sogar sagen, ich bin davon überzeugt.
– Und wie heißt denn Ihr Fazender? fragte Torres so nebenbei.
– Joam Garral,« belehrte ihn Fragoso.
Dabei murmelte er aber leise für sich hin:
»Dieses Gesicht habe ich schon einmal gesehen!«
Torres pflegte eine Unterhaltung, die ihn interessirte, nicht so leicht fallen zu lassen, und hier hatte er dazu ja seine besonderen Gründe.
»Sie meinen also, begann er noch einmal, daß Joam Garral mir einen Platz einräumen würde?
– Ich wiederhole Ihnen, daß ich daran nicht im mindesten zweifle. Was er einem armen Teufel wie mir gewährt hat, das wird er Ihnen, einem Landsmanne, nicht verweigern.
– Ist er allein an Bord der Jangada?
– Nein, erwiderte Fragoso, ich sagte Ihnen schon, daß er mit seiner ganzen Familie reist – lauter prächtige, liebe Leute, das dürfen Sie mir glauben – außerdem hat er eine aus Indianern und Schwarzen bestehende Mannschaft bei sich, welche dem Personal der Fazenda angehören.
– Ist er wohl reich, jener Fazender?
– Gewiß, antwortete Fragoso, sehr reich. Schon allein das Holz, aus dem die Jangada gezimmert ist, und die Fracht auf letzterer repräsentirt ein Vermögen für sich.
– Joam Garral ist also mit seiner ganzen Familie über die brasilianische Grenze gekommen? fragte Torres noch einmal.
– Ja wohl, bestätigte Fragoso, mit seiner Frau, seinem Sohne, seiner Tochter und mit dem Bräutigam des Fräulein Minha.
– Ah, er hat eine Tochter? sagte Torres.
– Ein reizendes Mädchen!
– Die sich bald verheiraten wird?…
– Ja, antwortete Fragoso, mit einem braven jungen Manne, einem Militärarzt bei der Garnison in Belem, dessen Hochzeit nach unserer Ankunft am Ziele der Reise sogleich gefeiert werden soll.
– Recht hübsch! bemerkte Torres lächelnd, das könnte man demnach im strengsten Sinne des Wortes eine Hochzeitsreise nennen!
– Eine Hochzeits-, Vergnügungs-und Geschäftsreise zugleich, berichtigte Fragoso. Frau Yaquita und ihre Tochter haben noch niemals den Boden Brasiliens betreten, und auch Joam Garral
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