Die Jangada
ihn seinem Vater vor, erzählte die Umstände, unter denen sie sich schon einmal gesehen hätten, und ersuchte ihn um seine Zustimmung, Torres bis Manao mitzunehmen.
»Ich schätze mich glücklich, mein Herr, Ihnen diesen kleinen Dienst erweisen zu können, antwortete Joam Garral.
– Ich danke Ihnen, sagte Torres, der die Hand zwar bieten wollte, aber in demselben Augenblick unwillkürlich wieder zurückzog.
– Morgen mit Tagesanbruch fahren wir weiter, setzte Joam Garral hinzu. Sie können sich inzwischen an Bord einrichten.
– O, dazu bedarf es nicht vieler Mühe, erklärte Torres. Außer meiner Person habe ich nichts unterzubringen.
– Betrachten Sie sich ganz als zu Hause!« sagte Joam Garral.
Im Laufe des Abends bezog Torres noch seine Cabine neben der des Barbiers.
Gegen acht Uhr kehrte dieser auch selbst nach der Jangada zurück, erzählte der jungen Mulattin, welch’ gute Geschäfte er gemacht, und flocht nicht ohne einen gewissen Anflug von Eigenliebe die Bemerkung ein, daß der Ruf des berühmten Figaro im Becken des oberen Amazonenstromes offenbar noch gewachsen sei.
Vierzehntes Capitel.
Weiter stromabwärts.
Mit dem ersten Tagesgrauen am 27. Juni wurden die Taue gelöst und die Jangada trieb von Neuem mit der Strömung hinunter.
An Bord befand sich jetzt noch eine Person mehr. Woher dieser Torres eigentlich kam, wußte zunächst Niemand; daß er nach Manao wolle, hatte er geäußert.
Torres hütete sich übrigens, von seinem Vorleben und von dem Handwerk, das er bis vor zwei Monaten getrieben, etwas laut werden zu lassen, so daß keinem Menschen auf der Jangada auch nur der Gedanke kam, daß man in Jenem einen früheren Waldkapitän aufgenommen habe. Joam Garral vermied es aus Zartgefühl, sich für den erwiesenen Dienst durch zudringliche Fragen bezahlt zu machen.
Als er den Mann an Bord nahm, folgte er nur einem Gefühle von Menschlichkeit. Jener Zeit, wo noch keine beflügelten Dampfer den Lauf des Stromes pflügten, war es in den menschenarmen Urwäldern der Umgebung schwierig, sichere und schnelle Transportmittel zu finden. Die vorhandenen Fahrzeuge unterhielten keine geregelten Verbindungen, und meist sah sich der Reisende gezwungen, durch die üppigen Wälder zu Fuße zu gehen.
Durch Benitos Schilderung der Umstände, unter denen er Torres zuerst getroffen, war dieser gleichsam legitimirt und eingeführt und befand sich hier etwa in denselben Verhältnissen, wie ein Passagier an Bord eines transatlantischen Dampfers, dem es völlig frei steht, an dem gemeinschaftlichen Leben theilzunehmen, wenn ihm das zusagt, oder sich zurückzuziehen, wenn das seiner Stimmung entspricht.
Während der ersten Tage vermied es Torres augenscheinlich, mit der Familie Garral vertraulicher zu verkehren. Er hielt sich sehr reservirt, gab zwar Antwort, wenn Jemand auf ihn sprach, knüpfte aber selbst ein Gespräch nicht an.
Wenn er sich überhaupt Jemandem etwas näher anschloß, so war das Fragoso. Dem allzeit lustigen Patron verdankte er ja eigentlich die Gunst, jetzt auf der Jangada eingeschifft zu sein. Ihn fragte er zuweilen über die Verhältnisse der Familie Garral in Iquitos und über Minhas Verlobung mit Manoel Valdez, aber auch das geschah nur mit einer gewissen Zurückhaltung. Meist blieb er jedoch, wenn er nicht auf dem Vordertheile der Jangada umherspazierte, in seiner Cabine.
Das Frühstück und das Mittagsessen nahm er zwar mit Joam Garral und dessen Angehörigen ein, betheiligte sich aber kaum an der Unterhaltung und zog sich nach aufgehobener Tafel sofort zurück.
Im Laufe des Vormittages glitt die Jangada an der romantischen Inselgruppe vorüber, welche der weiten Mündung des Javary eingelagert ist. Dieser wichtige Nebenfluß des Amazonenstromes wird in seinem ganzen Laufe von der Quelle bis zur Ausmündung weder von einer Insel noch von Stromschnellen unterbrochen. Die Breite der Mündung beträgt gegen dreitausend Fuß, und letztere befindet sich einige Meilen oberhalb der Stelle, wo ehedem die gleichnamige Stadt lag, um deren Besitz sich Spanier und Portugiesen sehr lange Zeit stritten.
Bis zum Morgen des 30. Juni fiel auf der Fahrt nichts Bemerkenswerthes vor. Zuweilen begegnete man einigen, hinter einander verbundenen Booten, nahe dem Ufer hinziehend, zu deren Führung ein einziger Eingeborner genügt hätte. »Navigar de bubina«, so bezeichnen die Landesbewohner diese Art des Wassertransports, was etwa mit »Vertrauensfahrt« zu verdeutschen wäre.
Bald kam man ferner an
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