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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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fragen, ob Sie nichts dagegen haben, wenn ich dieses Geschäft einmal unterwegs betreibe. Meine Hand darf nicht rosten, und einige Reïs, vorzüglich selbst verdiente, würden meiner Tasche recht wohl thun. Sie wissen, Herr Garral, ein Barbier, der gleichzeitig etwas Haarkünstler und – aus Respect gegen Herrn Manoel wage ich es kaum auszusprechen – auch so ein Bischen Mediciner ist, der findet in den Ortschaften des oberen Amazonenstromes allemal seine Kunden.
    – Wenigstens unter den Brasilianern, meinte Joam Garral, denn was die Indianer betrifft…
    – Entschuldigen Sie, unterbrach ihn Fragoso, vorzüglich unter den Indianern! Freilich, mit Bartscheeren giebt’s da nicht viel zu thun, da die Natur jenen diesen Mannesschmuck gar zu spärlich zuertheilt hat; dafür ist aber immer der Haarwuchs nach neuester Mode zu ordnen. Das lieben diese Wilden, die Männer wie die Frauen. Ich würde kaum zehn Minuten auf dem Platze in Tabatinga erschienen sein, mit dem Kräuselholz in der Hand – das Kräuselholz lockt sie am sichersten heran, und das verstehe ich meisterhaft zu handhaben – da hätte sich schon ein Kreis von Indianern und Indianerinnen um mich versammelt und stritte sich darum, wer zuerst unter meine Hände kommen sollte! Einen Monat hier, und ich hätte den ganzen Stamm der Ticunas frisch coiffirt! Ueberallhin würde die Kunde dringen, daß »das Eisen, welches frisirt« – so nennen sie mich nämlich – in die Mauern von Tabatinga zurückgekehrt sei. Schon zweimal hielt ich mich hier auf, und Scheere und Kamm haben wirkliche Wunder verrichtet. Freilich darf unsereins nicht zu häufig wiederkommen. Die geehrten Indianerinnen lassen sich nicht tagtäglich frisiren, wie die vornehmen Damen in den Städten Brasiliens. Nein! Wenn das einmal geschehen ist, muß es für ein Jahr aushalten, und ein ganzes Jahr lang sparen sie keine Mühe, das Gebäude zu erhalten, welches ich – das darf ich wohl behaupten – nicht ohne Talent auf ihrem Schädel errichtet habe. Jetzt ist etwa ein Jahr vergangen, seit ich nach Tabatinga kam. Ich würde also alle meine Bauwerke in Trümmern vorfinden und, wenn Sie, Herr Garral, nichts dagegen einzuwenden haben, mir ein zweites Mal die Achtung erwerben, deren ich mich in dieser Gegend schon erfreue. Das Ganze ist übrigens, das glauben Sie mir, mehr eine Reïs-Frage, als daß mich etwa die Eigenliebe dazu triebe.
    – So führen Sie es aus, lieber Freund, antwortete Garral lächelnd, aber nur geschwind! Wir können nur einen Tag in Tabatinga rasten und fahren morgen frühzeitig weiter.
    – Ich werde keine Minute verlieren, versicherte Fragoso. Ich brauche nur mein Handwerkszeug zu holen und bin damit zum Landen fertig.
    – So gehen Sie, Fragoso, empfahl ihm Garral, und möchte es recht viele Reïs in Ihre Tasche regnen!
    – Ich danke! O, das ist ein gar zu wohlthätiger Regen, der sich noch niemals stromweise über Ihren ergebenen Diener ergossen hat!«
    Mit diesen Worten verschwand Fragoso eiligst.
    Kurz darauf ging die ganze Familie, mit Ausnahme Joam Garral’s, an’s Land. Die Jangada hatte so nahe am Ufer anlegen können, daß das keine Schwierigkeiten machte. Eine schlecht erhaltene, am Uferabhange angebrachte Treppe führte die Besucher nach dem Kamme des Plateaus.
    Yaquita und ihre Begleiter wurden von dem Commandanten des Forts empfangen, einem armen Teufel, der jedoch die Pflichten der Gastfreundschaft kannte und den Gästen in seiner Dienstwohnung ein Frühstück anbot. Einige Wachposten marschirten an verschiedenen Stellen langsam auf und ab, während an der Thür der Kaserne mit ihren, dem Stamme der Ticunas angehörenden Müttern mehrere Kinder, und zwar ziemlich mittelmäßige Producte dieser Racenmischung, sichtbar wurden.
    Anstatt das Frühstück des Sergeanten anzunehmen, ersuchte Yaquita im Gegentheile den Commandanten und dessen Frau, an dem ihrigen an Bord der Jangada theilzunehmen.
    Der Commandant ließ sich das nicht zweimal sagen, und man bestimmte dazu die elfte Stunde.
    Inzwischen lustwandelten Yaquita, ihre Tochter und die junge Mulattin in Begleitung Manoels in den Umgebungen des Forts und überließen Benito die Erledigung der Förmlichkeiten zur Erlangung des Durchfahrtsrechtes, denn jener Sergeant war gleichzeitig militärischer Befehlshaber und oberster Beamter der Zollstätte.
    Nachdem das geschehen, entfernte sich Benito, um in den benachbarten Dickichten seiner Gewohnheit gemäß zu jagen. Manoel hatte es heute abgelehnt, ihn dabei zu

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