Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
begleiten.
    Auch Fragoso hatte die Jangada verlassen; anstatt aber nach dem Militärposten hinauf zu gehen, wandte er sich nach dem Dorfe, wohin ein Hohlweg führte, der sich mehr nach rechts hin in gleicher Höhe mit dem Ufer öffnete. Er rechnete aus Erfahrung mehr auf die Kundschaft der Eingebornen von Tabatinga, als auf die der Garnison. Die Soldatenfrauen wären zwar sicherlich nicht abgeneigt gewesen, sich einmal seinen geschickten Händen anzuvertrauen, deren Ehemänner hüteten sich aber weislich, einige Reïs für die Launen ihrer putzsüchtigen schöneren Hälften zu opfern.
    Bei den Eingebornen lag die Sache ganz anders. Der lustige Bartscheerer wußte sehr wohl, daß ihn hier seitens der Männer und der Frauen ein gleich guter Empfang erwartete.
    So schritt Fragoso also auf dem von schönen Ficus (Feigenbäumen) beschatteten Wege hin und gelangte nach dem Mittelpunkte von Tabatinga.
    Sobald der berühmte Haarkünstler auf dem Platze erschien, wurde die Nachricht davon ruchbar und er von allen Seiten umringt.
    Fragoso hatte weder Trommel oder Pauke, noch Klappenhorn, um Neugierige heranzulocken, keinen Wagen mit blendenden Schildern, glänzenden Laternen, großen Spiegelscheibenfenstern oder mit riesigem Sonnenschirme, nichts, was das Interesse der Volksmenge erregen konnte, wie man das auf Jahrmärkten so häufig beobachtet. Nein! Aber Fragoso besaß sein Lockenholz, und wie spielte dieses in seiner Hand! Mit welchem Geschick balancirte er darauf einen Schildkrötenkopf, der die Stelle einer Kugel vertrat, und ließ denselben jene geheimnißvolle Curve beschreiben, deren mathematischen Ausdruck die Gelehrten noch nicht gefunden haben, diese Allerweltserklärer, denen es gelang, die berühmte Curve »des Hundes, der seinem Herrn folgt«, naturgesetzlich zu bestimmen.
    Von den Eingebornen waren so gut wie alle zur Stelle; Männer und Frauen, Alte und Junge in den primitivsten Kostümen, sperrten weit die Augen auf und lauschten mit gespannten Ohren. Halb in portugiesischer und halb in der Sprache der Ticunas verkündete der lustige Künstler in verlockendster Weise, was er seinen Kunden zu bieten vermöge.
    Was er den Leuten sagte, stimmte ganz mit den Selbstanpreisungen aller Charlatane überein, mögen das nun spanische Figaros oder französische Haarkräusler sein. Auf seiner Seite waren die nämliche Wichtigthuerei, dieselbe gründliche Kenntniß der menschlichen Schwachheiten, der Aufwand abgenutzter Witze und eine amüsante körperliche Gewandtheit, auf der der Eingebornen dieselbe Verwunderung, Neugier und Leichtgläubigkeit, wie bei den Jahrmarkts-Maulaffen der civilisirten Welt.
    Die unausbleibliche Folge war, daß die enthusiasmirte Menge sich nach Verlauf von zehn Minuten um Fragoso drängte, der sich in einer »Loja« des Platzes, das ist eine Art Bude, welche als Schänke diente, eingerichtet hatte.
    Diese Loja gehörte einem in Tabatinga ansässigen Brasilianer. Hier versorgten sich die Einwohner für wenige Vatems – die gebräuchliche Scheidemünze im Werthe von zwanzig Reïs, etwa sechs Pfennige – mit den landesüblichen Getränken, vorzüglich mit »Assaï«.
     

    Aber Fragoso besaß sein Lockenholz. (S. 119.)
     
    Unter Letzterem ist ein halb fester und halb flüssiger, aus den Früchten einer gewissen Palmenart hergestellter Likör zu verstehen, der aus einen »Couï« oder Flaschenkürbis getrunken wird, welcher im Becken des Amazonenstromes als gebräuchlichstes Gefäß dient.
     

    Auf dem Hauptplatze standen ganze Reihen von ungeduldig Harrenden. (S. 122.)
     
    Nun beeilten sich Männer und Frauen – erstere kaum weniger als die letzteren – auf dem Schemel des Barbiers Platz zu nehmen.
    Fragoso’s Scheeren blieben freilich unbenutzt, denn hier kam es nicht in Frage, die mächtigen, fast alle durch ihre Feinheit bemerkenswerthen Haarwulste zu verstutzen; dafür hatte der Künstler desto mehr zu thun mit dem Kamme und den Brenneisen, welche auf einer Kohlenpfanne in einer Ecke der Bude erhitzt wurden.
    Der Künstler ließ es aber auch am Zureden nicht fehlen!
    »Seht, seht nur da, meine Freunde, rief er, wie gut das halten wird, wenn Ihr nicht geradezu darauf schlaft! Das reicht für ein Jahr aus und ist nach den neuesten Moden von Belem und Rio de Janeiro hergestellt! Die Ehrendamen der Kaiserin sind nicht vollkommener und schöner frisirt; auch bemerkt Ihr wohl, daß ich mit der Pomade nicht geize!«
    Nein, der brave Mann geizte damit nicht! Freilich bestand dieselbe nur aus

Weitere Kostenlose Bücher