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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das Städtchen bietet mit seinen drei Dutzend, unter üppigem Grün hervorlugenden Häuschen und der Notre Dame von Guadelupe, der schwarzen Heiligen Jungfrau von Mexiko gewidmeten Kirche, ein wirklich liebliches Bild. Fonteboa zählt etwa eintausend Einwohner und wird von Indianern an beiden Stromufern, welche in den benachbarten Campinen große Viehheerden aufziehen, mit Nahrungsmitteln versorgt. Hierin allein besteht jedoch nicht die Beschäftigung der Letztgenannten; sie sind daneben auch unerschrockene Jäger oder, wenn man lieber will, kühne Fischer, welche Seekühen nachstellen.
    Noch am Abend ihrer Ankunft fanden die jungen Leute Gelegenheit, einer höchst interessanten Expedition dieser Art beizuwohnen.
    Im Cayaratu, der bei Fonteboa mündet, war das Auftauchen zwei solcher pflanzenfressender Cetacier berichtet worden. Auf der Wasserfläche sah man sechs braune Punkte dahintreiben. Das waren die zwei spitzen Schnauzen und die vier gewaltigen Flossen der Seekühe.
    Unerfahrene Fischer würden diese sich langsam weiter bewegenden Punkte anfänglich gewiß für irgend welche, von der Strömung mitgeführte todte Gegenstände gehalten haben;
     

    Die Harpunen durchschwirrten die Luft. (S. 145.)
     
    die Eingebornen aus Fonteboa konnten sich darüber jedoch nicht täuschen. Ein geräuschvolles Schnaufen verrieth übrigens bald, daß hier lebende Thiere herabschwammen, welche die zur Athmung unbrauchbar gewordene Luft sehr kräftig ausstießen.
    Zwei mit je drei Fischern bemannte Ubas stießen vom Ufer ab, und suchten sich den Seekühen zu nähern, welche indeß eiligst die Flucht ergriffen. Erst erzeugten die dunklen Punkte einen leicht erkenntlichen Streifen wirbelnden Wassers, dann aber verschwanden jene gänzlich.
    Die Fischer ruderten vorsichtig weiter. Mit einer höchst primitiven Harpune, einem tüchtigen Nagel an langem Stocke, ausgerüstet, stand je Einer im Vordertheile der kleinen Fahrzeuge, welche die Anderen möglichst geräuschlos fortbewegten. Sie warteten, bis das Athembedürfniß die Thiere wieder nach oben und ihnen sozusagen in Schußweite treiben würde. Zehn Minuten später mußten die Thiere erfahrungsmäßig in mehr oder weniger beschränktem Umkreise der Stelle, wo sie hinabtauchten, gewiß wieder erscheinen. Wirklich dauerte es kaum diese Zeit, bis die dunklen Punkte in einiger Entfernung sichtbar wurden und zwei mit Luft gemischte Dampfstrahlen zischend in die Höhe schossen.
    Die Ubas flogen jetzt näher heran, die Harpunen durchschwirrten die Luft; die eine verfehlte ihr Ziel, die andere aber traf den einen Cetacier in der Nähe des Schwanzwirbels.
    Mehr brauchte es nicht, um das Thier fast unschädlich zu machen, da sich dasselbe von einem Harpunenstachel getroffen kaum noch zu vertheidigen vermag. Mittelst eines Seiles wurde es hierauf vorsichtig in die Nähe der Uba und dann nach dem Strande vor den Häusern herangeholt.
     

    Die Passagiere gingen an einem sanft abfallenden Ufer an’s Land. (S. 150.)
     
    Es war nur eine sehr kleine Seekuh von kaum drei Fuß Länge. Man hat diese armen Cetacier so hitzig verfolgt, daß sie im Amazonenstrome und dessen Seitenflüssen schon recht selten zu werden anfangen, und läßt ihnen so wenig Zeit, ordentlich auszuwachsen, daß jetzt auch die Riesen unter ihnen nicht mehr als sieben Fuß messen. Was sind solche Zwerge aber gegen die zwölf bis fünfzehn Fuß langen Seekühe, welche in den Strömen und Landseen Afrikas noch in Hülle und Fülle vorkommen!
    Leider dürfte es große Schwierigkeiten finden, deren allmähliche Ausrottung zu verhüten. Das Fleisch dieser Thiere ist nämlich von vortrefflichem Geschmack übertrifft sogar den des Schweinefleisches, und dazu bildet das, aus der gegen drei Zoll dicken Speckschicht gewonnene Oel einen werthvollen Handelsgegenstand. Geräuchert hält sich das Fleisch überraschend lange und bietet eine recht gesunde Nahrung. Bedenkt man hierzu noch, daß das Thier verhältnißmäßig leicht zu fangen ist, so leuchtet es ein, daß sein Geschlecht von der ihm drohenden Vertilgung kaum zu retten sein dürfte. Heutzutage erzielt man von einer ausgewachsenen Seekuh, welche früher zwei Pots Oel im Gewicht von je hundertachtzig Pfund lieferte, im besten Falle nur vier spanische Arroben, zusammen etwa einen Centner schwer.
    Am 19. Juli mit Sonnenaufgang verließ die Jangada Fonteboa wieder und glitt zwischen den beiden, vollkommen menschenleeren Ufern des Stromes an verschiedenen Inseln vorüber. Auf letzteren

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