Die Jangada
Amazonenstromes. Im 16. Jahrhundert wurden in dessen Nachbarschaft zuerst durch Spanier englische Missionen errichtet, diese aber später durch Portugiesen so gründlich zerstört, daß sich heute davon auch nicht eine Spur mehr nachweisen läßt. Jetzt trifft man hier nur wenige Vertreter mehrerer Indianerstämme, welche durch abweichende Tätowirungen leicht von einander zu unterscheiden sind.
Der Iça ist ein Wasserlauf, der, am Ostabhange der Gebirge von Pasto, nordöstlich von Quito entspringend, zunächst prächtige Wälder von wilden Cacaobäumen durchströmt. Auf einer Strecke von hundertvierzig Meilen für Dampfer von nicht über zehn Fuß Tiefgang schiffbar, dürfte er sich voraussichtlich noch zu einer der wichtigsten Wasserstraßen im westlichen Südamerika entwickeln.
Inzwischen trat schlechtes Wetter ein, zwar kam es noch nicht zu anhaltendem Regnen, dagegen bildeten sich häufige Gewitter. Diese Meteore blieben freilich ohne Einfluß auf die Fahrt der Jangada, welche dem Winde zu wenig Angriffsfläche bot, während ihre große Länge sie auch gegen den höheren Wogenschlag des Stromes unempfindlich machte; natürlich sah sich die Familie Garral dabei mehr als früher auf den Aufenthalt in den Wohnräumen angewiesen, doch ließ man solche gezwungene Mußestunden nicht ungenützt vorüber, sondern plauderte nach Herzenslust und tauschte allerlei Beobachtungen aus, so daß die Zungen immer in flotter Bewegung blieben.
Unter diesen Verhältnissen nahm auch Torres allmählich mehr an den gemeinsamen Gesprächen theil. Erinnerungen aus der Zeit seiner verschiedenen Züge durch das ganze nördliche Brasilien lieferten ihm reichlichen Unterhaltungsstoff. Offenbar hatte dieser Mann sehr viel gesehen; seine Beobachtungen dabei waren jedoch immer die eines Skeptikers, und er verletzte mit seinen Reden nicht selten das Ohr der braven, feinfühlenden Leute, die ihm zuhörten. Es verdient auch hervorgehoben zu werden, daß er Minha mehr und mehr auszeichnete. Mißfielen seine Aufmerksamkeiten Manoel auch von vornherein, so gingen dieselben doch noch nicht so weit, um eine Intervention des jungen Mannes angezeigt erscheinen zu lassen. Uebrigens empfand das junge Mädchen gegen Torres einen unbewußten Widerwillen, aus dem sie sich kein Hehl zu machen bemühte.
Am 9. Juli zeigte sich am linken Stromufer die Mündung des Tunantins, durch welche vierhundert Fuß breite Spalte der genannte Fluß seine von Westnordwesten sich herwälzenden Wassermassen in den großen Strom abgiebt, nachdem diese das Gebiet der Cacenas-Indianer bewässert haben.
An derselben Stelle bot das Bett des Amazonenstromes einen wirklich großartigen Anblick, obwohl es mehr als anderswo von Inseln und Holmen unterbrochen wird. Es bedurfte der gereiften Erfahrung und aller Geschicklichkeit des Mannes am Steuer, um sich durch diesen verworrenen Archipel zu winden, von einem Ufer zum anderen zu laviren, hier Untiefen, dort brodelnde Wasserwirbel zu vermeiden und doch dabei den zweckmäßigsten Weg einzuhalten.
Er hätte sich vielleicht nach dem Ahuaty-Parana, einem natürlichen Kanal, wenden können, der sich unterhalb der Tunantinsmündung abzweigt und hundertzwanzig Meilen weiter durch den Rio Japura wieder mit der Hauptwasserader in Verbindung tritt; doch wenn auch die breiteste Stelle dieses »Furo« hundertfünfzig Fuß maß, so schrumpfte dafür die engste bis auf sechzig Fuß zusammen, was der Durchfahrt der Jangada ernstliche Schwierigkeiten bereiten mußte.
Kurz, nachdem sie am 13. Juli die Insel Capura berührt und am Einflusse des Jutahy vorüber gefahren, der, von Westsüdwesten herkommend, seine dunklen Fluthen durch eine fünfzehnhundert Fuß breite Mündung ergießt, und nachdem sie die zahllosen Schaaren jener hübschen hellschwefelfarbenen Aeffchen mit zinnoberrothem Gesicht bewundert hatten, welche unersättliche Liebhaber der Früchte einer Palmenart sind, von der der Fluß seinen Namen erhielt, kamen die Reisenden am 18. Juli bei der kleinen Stadt Fonteboa an. Hier machte die Jangada zwölf Standen Halt, um die Mannschaft einmal wieder rasten zu lassen.
Fonteboa hat, wie die meisten Missionsdörfer am Amazonenstrome, dem merkwürdigen Gesetze nicht entgehen können, wonach solche kleine Ansiedlungen binnen längeren Zeitperioden von einer Stelle zur anderen verschoben werden. Dem Anscheine nach ist die Nomadenexistenz des Oertchens jetzt aber zu Ende und einer definitiven Seßhaftigkeit gewichen. Es ist das erfreulich, denn
Weitere Kostenlose Bücher