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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Eierlegens von großer Wichtigkeit. Sie beobachten schon das Eintreffen der Schildkröten und holen unter Trompetenschall deren Eier, welche in drei gleiche Mengen getheilt werden, von denen eine den Wächtern, eine andere den Indianern und eine dritte dem durch die Strandhauptleute vertretenen Staate zufällt; die letztgenannten haben nämlich nicht allein polizeiliche Functionen, sondern nehmen auch die Steuern und Abgaben ein. Manche Stellen, welche bei abnehmender Fluth trocken gelegt und langjähriger Erfahrung nach von den Schildkröten besonders bevorzugt werden, hat man ausschließlich mit dem Namen »Königs-Strand« bezeichnet. Nach eingeheimster Ernte feiern die Indianer frohe Feste, wobei es im Spielen, Tanzen und Trinken hoch hergeht – mit ihnen aber auch die Kaimans im Strome, welche die Ueberbleibsel von den Amphibien verschmausen.
    Schildkröten sowohl als die Eier derselben bilden auch einen sehr bedeutenden Handelsgegenstand im ganzen Becken des Amazonenstromes. Man paßt dazu den Thieren, wenn sie vom Eierlegen zurückkehren, auf und wendet sie zunächst mittelst Stangen auf den Rücken, aus welcher Lage sie sich nicht selbst befreien können. Diese werden lebend aufbewahrt, indem man sie entweder in eingehegten, den bekannten Fischparks ähnlichen Behältern unterbringt oder ihnen eine Schnur von hinreichender Länge an einen Fuß knüpft, mit der sie sich beliebig auf dem Lande oder im Wasser bewegen können. Auf diese Weise sichern sich die Bewohner ihren nie ausgehenden Vorrath von frischem Schildkrötenfleisch.
    Anders verfährt man mit den kleinen, eben ausgekrochenen Schildkröten, die weder eingeparkt noch angebunden zu werden brauchen. Ihre Schale ist nämlich noch weich, das Fleisch außerordentlich zart, so daß diese ganz wie Austern verspeist, doch vorher gekocht werden. In dieser Form verzehrt man im Lande ganz unglaubliche Mengen.
    Dabei wird von den Chelonier-Eiern im Amazonen-Gebiete und in der Provinz Para noch ein anderer ausgedehnter Gebrauch gemacht. Die Herstellung von »Manteigna de tartaruga«, das ist Schildkrötenbutter, ein Product, das sich mit den feinsten Erzeugnissen der Normandie und der Bretagne getrost messen kann, erfordert alljährlich nicht weniger als zweihundertfünfzig bis dreihundert Millionen solcher Eier. Dafür giebt es Schildkröten im ganzen Strombecken aber auch in geradezu zahllosen Schaaren, welche unendliche Mengen von Eiern im Ufersande vergraben.
    In Folge der ungeheueren Consumtion seitens der Eingebornen, wie der Vernichtung solcher durch Strandläufer und andere Vögel und nicht minder durch die Kaimans des Stromes ist ihre Anzahl jetzt doch so sehr vermindert worden, daß eine kleine Schildkröte im Durchschnitte mit einer brasilianischen Pataque 1 bezahlt wird.
    Am folgenden Tage machten Benito, Fragoso und einige Indianer eine Pirogue klar und begaben sich damit nach einer der in der Nacht passirten Inseln. Die Jangada brauchte deswegen nicht zu halten, denn diese war immer ohne Mühe einzuholen.
    Am Strande daselbst fanden sich kleine Sandhäufchen, entsprechend den Stellen, wo in der vergangenen Nacht die Eier zu je hundertsechzig bis hundertachtzig Stück in dem Graben verscharrt worden waren. Um die Gewinnung dieser Eier handelte es sich jedoch nicht. Dagegen erwiesen sich andere, vor etwa zwei Monaten vergrabene Eier jetzt schon zum größten Theile von der Sonnenhitze ausgebrütet, denn schon wimmelte es an dem flachen Ufer von Tausenden kleiner Schildkröten.
    Leicht wurde also eine reichliche Beute eingeheimst und die Pirogue mit so vielen der interessanten Amphibien befrachtet, als sie nur tragen konnte, das Ergebniß der Jagd aber gerade zur besten Stunde, kurz vor dem Frühstück, abgeliefert. Die Passagiere und die Mannschaft der Jangada erhielten davon gleiche Antheile, und wenn auch für den Abend noch ein Restchen dieses Leckerbissens übrig blieb, so wurde doch Alles an dem einen Tage verzehrt.
    Am 7. Juli des Morgens befand sich das Floß vor San Jose de Matura, einem Flecken in der Nähe eines unbedeutenden, mit hohem Schilf ausgefüllten Flusses, an dessen Ufer der Sage nach die fabelhaften geschwänzten Indianer seßhaft gewesen sein sollen.
    Frühzeitig am 9. Juli kam das Dorf San Antonio in Sicht, nur eine Gruppe weniger, unter Bäumen versteckter Hütten, und bald darauf die Mündung des Iça oder Putumayo, welche neunhundert Meter in der Breite mißt.
    Der Putumayo gehört zu den bedeutendsten Nebenflüssen des

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