Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
nehmt Euch nur in Acht, liebe Mutter und Schwester, denn Ihr werdet in Extase gerathen, wenn wir nach Manao kommen, und vor lauter Verwunderung kein Wort mehr finden können, wenn wir erst in Belem eintreffen.
    – O, darüber mache Dir keine Sorgen, entgegnete Manoel lächelnd. Die Damen werden sich durch den Anblick der Städte am oberen Amazonenstrome schon an große Ueberraschungen gewöhnt haben.
    – Wie, Manoel, fragte Minha, Du spielst mit meinem Herrn Bruder eine Geige? Du moquirst Dich ebenfalls…
    – Nein, beste Minha, ich schwöre Dir…
    – Lassen wir den Herren ihr Vergnügen, fiel Lina ein, wir wollen dafür desto mehr sehen, denn hier giebt’s Schönes in Hülle und Fülle!«
    Schönes? Ein Haufen meist aus Lehm errichteter und höchstens mit Kalt geweißter Häuser, gewöhnlich mit Stroh oder Palmenblättern abgedeckt; einzelne freilich aus Stein oder Holz erbaut, mit Verandas, grün angestrichenen Thüren und Fensterläden, und inmitten eines Gärtchens voll blühender Orangen. Daneben fanden sich auch zwei oder drei öffentliche Gebäude, eine Kaserne und eine, der heiligen Theresa gewidmete Kirche, welche gegenüber der bescheidenen Kapelle von Iquitos freilich ganz gut eine Kathedrale vorstellen konnte.
    In der Richtung nach dem See zu bot sich dem Blicke ein reizendes, mit einem Rahmen von Cocosbäumen und Assaïs umschlossenes Panorama, das bis zum Wasser hinabreichte, und drei Meilen, auf der anderen Seite des Sees, lugten die Häuser des pittoresken Dorfes Nogueira aus Olivenhainen am Strande hervor.
    Die beiden jungen Mädchen entdeckten aber auch noch andere Gegenstände ihrer Bewunderung, ihres echt weiblichen Interesses, das war die modische Kleidung der eleganten Damen Egas, nicht jener höchst primitive und doch schreiende Staat der Urbewohner vom schwachen Geschlechte, der bekehrten Omaa-und Mura-Weiber, sondern das Kostüm der wirklichen Brasilianerinnen! Die Frauen und Töchter der Beamten und der reichen Handelsherren der Stadt brüsteten sich in der That mit freilich etwas veralteten Pariser Toiletten, hier, fünfhundert Meilen hinter Para, das wiederum selbst einige Tausend Meilen von der Favorit-Residenz des Modeteufels entfernt liegt.
     

    Auf dieser Insel zeigte sich ein Trupp Mura-Indianer. (S. 155.)
     
    »Aber sehen Sie doch – sehen Sie nur da die schönen Damen in ihren reizenden Kleidern! raunte Lina ihrer Herrin zu.
    – Lina wird noch rein toll! meinte Benito.
    – Wenn jene Toiletten getragen würden, wie es sich gehört, antwortete Minha dem Mädchen, möchten sie so lächerlich nicht aussehen.
    – Glaube mir, liebe Minha, wandte sich Manoel zu dieser, Du gehst in Deinem einfachen Baumwollenkleide und dem schützenden Strohhute geschmackvoller als alle jene Brasilianerinnen mit ihren aufgebauschten Hüten und mit Volants überladenen Roben, die für unsere Gegend und Verhältnisse einmal nicht passen.
    – Wenn ich nur Dir so gefalle, antwortete das junge Mädchen, beneide ich keine Andere um den Flitter.«
    Doch, es galt ja im Grunde, die Stadt in Augenschein zu nehmen. Die Gesellschaft lustwandelte also durch die Straßen, welche mehr Krambuden als eigentliche Läden enthielten, besuchte einen öffentlichen Platz, das Stelldichein der vornehmen Welt, wo die Damen ihre europäischen Toiletten zu Schau trugen, und speiste gar in einem Hotel eigentlich mehr in einer Herberge wo Jedermann die ausgezeichnete Tafel der Jangada schmerzlich vermißte.
    Nach dem einzig und allein aus verschieden zubereitetem Schildkrötenfleisch bestehenden Diner bewunderte die Familie Garral noch einmal die schönen Gestade des Sees, welche die niedergehende Sonne mit ihren glänzenden Strahlen vergoldete.
     

    Die Jangada legte am Ufer an, um die Nacht über zu halten. (S. 157.)
     
    Dann begaben sich Alle nach der Pirogue, vielleicht etwas enttäuscht über die Herrlichkeiten einer Stadt, zu deren Besuche eine Stunde schon bequem hinreichte, auch etwas ermüdet durch dies Gehen in den erhitzten Straßen, welche mit den schattigen Wegen von Iquitos keinen Vergleich aushielten. Keinen gab es, bis auf die leichtempfängliche Lina, dessen Enthusiasmus jetzt nicht merklich abgekühlt war.
    Jeder nahm seinen Platz in der Pirogue wieder ein. Der Wind kam noch aus Nordwesten und hatte gegen Abend etwas aufgefrischt. Das Segel wurde gehißt und das Fahrzeug glitt denselben Weg wie am Morgen wieder über den, von dem dunklen Gewässer des Rio Teffe gespeisten See, ein Rio, der nach Aussage

Weitere Kostenlose Bücher