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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eine Handvoll jener hübschen Steine werthet ja leicht eine Million, wenn nicht gar zwei!«
    Torres, dessen Züge seine eigene Habgier abzuspiegeln schienen, öffnete dabei unwillkürlich die Hand und krampfte sie wieder zusammen.
    »Die Sache ging nun folgendermaßen zu, fuhr er fort. In Tijuco besteht die Gewohnheit, alle im Laufe eines Jahres gewonnenen Diamanten auf einmal fortzusenden. Man theilt dieselben dort nach ihrer Größe in zwei Sorten, nachdem sie vorher schon durch zwölf Siebe mit ungleichen Löchern gegangen sind. Die beiden Packete werden, nur in Säcken verwahrt, nach Rio de Janeiro geschafft. Da diese jedoch einen Werth von so und so vielen Millionen repräsentiren, können Sie sich wohl vorstellen, daß eine solche Sendung unter sicherer Bedeckung befördert wird. Letztere besteht gewöhnlich aus einem, von der Regierung auserwählten Beamten, vier Berittenen aus dem Regimente der Provinz und zehn Mann zu Fuß. Diese begeben sich zunächst nach Villa Rica, wo der commandirende General sein Siegel auf die Säcke drückt, und dann geht der Zug nach Rio de Janeiro ab. Ich bemerke hierzu, daß der Termin der Abreise dahin aus Vorsicht stets geheim gehalten wird. Nun klügelte im Jahre 1826 ein gewisser Dacosta, ein junger, etwa zwei-oder dreiundzwanzigjähriger Beamter, der seit mehreren Jahren in Tijuco im Bureau des General-Gouverneurs arbeitete, folgenden Streich aus: Er setzte sich mit mehreren Schleichhändlern in’s Einvernehmen und verrieth ihnen den Tag der Absendung der Diamanten, so daß die wohlbewaffneten Uebelthäter die nöthigen Maßregeln treffen konnten. In der Nacht des 22. Januar fiel die Räuberbande jenseits Villa Rica unversehens über die Soldaten her, welche sich heldenmüthig wehrten, aber niedergemetzelt wurden, bis auf einen, der schwer verwundet entkam und über das schreckliche Attentat Bericht erstattete. Der begleitende Beamte war dabei ebenso wenig geschont worden wie die Soldaten der Escorte. Unter den Streichen der Banditen gefallen, mochte sein Körper wohl in eine unzugängliche Schlucht gestürzt worden sein, denn niemals wurde eine Spur von ihm gefunden.
    – Und jener Dacosta? fragte Joam Garral.
    – Nun, sein Verbrechen brachte ihm keinen Lohn. Verschiedene Umstände lenkten bald den Verdacht der Urheberschaft auf den jungen Mann, und er wurde deshalb unter Anklage gestellt, wo er vergeblich seine Unschuld betheuerte. In Folge seiner Stellung mußte er den Tag, an dem die Sendung abgehen sollte, vorher kennen; nur er allein konnte die Bande jener Uebelthäter davon benachrichtigt haben. Er wurde also angeklagt, verhaftet und nach längerer Verhandlung zum Tode verurtheilt. Die Execution eines solchen Urtheils pflegte gewöhnlich binnen vierundzwanzig Stunden zu erfolgen.
    – Und der Unglückliche erlitt also den Tod? fragte Fragoso.
    – Nein, antwortete Torres. Aus dem Gefängniß in Villa Rica, wo er in der Nacht untergebracht war, gelang es ihm entweder allein oder wahrscheinlicher mit Hilfe anderer Spießgesellen zu entfliehen.
    – Seit jener Zeit hat man von dem Manne nie wieder etwas gehört? fragte Joam Garral.
    – Niemals, versicherte Torres. Er wird Brasilien verlassen haben und lebt vielleicht herrlich und in Freuden in fremdem Lande von dem Ertrage des Raubes, den er gewiß zu verwerthen gewußt hat.
    – Möchte er lieber unter dem Fluche seiner That seufzen! bemerkte Joam Garral.
    – Und Gott möge sein Gewissen erweckt haben!« fügte der Padre Passanha hinzu.
    Hiermit erhoben sich Alle nach beendigtem Essen von der Tafel und begaben sich hinaus, um die erquickende Abendluft zu genießen. Schon neigte sich die Sonne dem Horizonte zu, aber vor Ablauf einer Stunde konnte es noch nicht finster werden.
    »Solche Erzählungen hinterlassen einen peinlichen Eindruck, sagte Fragoso, unser Verlobungsfest fing weit hübscher an.
    – Daran bist Du aber selbst schuld, lieber Fragoso, meinte Lina.
    Ich, in wiefern?
    – Du sprachst immer weiter über jenen District und seine Diamanten, eine Sache, mit der wir doch gar nichts zu schaffen haben.
    – Das ist freilich wahr, gestand Fragoso, aber ich hatte keine Ahnung davon, wohin jene Unterhaltung führen sollte.
    – Du bist also in erster Linie der Schuldige.
    – Aber auch der am härtesten Bestrafte, liebste Lina, weil ich Dich beim Dessert nicht ein einziges Mal habe lachen hören!«
    Die ganze Familie begab sich nach dem Vordertheile der Jangada. Manoel und Benito gingen schweigsam neben einander.

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