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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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gewöhnt ist.
    Joam Dacosta wurde in den Saal eingeführt, und die Wärter, welche ihn begleitet hatten, zogen sich auf einen Wink des Gerichtsvorsitzenden lautlos zurück.
    Der Richter Jarriquez, faßte den Angeklagten längere Zeit scharf in’s Auge. Dieser hatte sich vor ihm verneigt und stand nun in ungezwungener, weder herausfordernder noch kriechender Haltung da in Erwartung der Fragen, die man an ihn richten würde.
    »Ihr Name, begann der Richter Jarriquez.
    – Joam Dacosta.
    – Ihr Alter?
    – Zweiundfünfzig Jahre.
    – Sie wohnten?
    – In Peru, im Dorfe Iquitos.
    – Unter welchem Namen?
    – Unter dem Namen Garral, dem Namen meiner Mutter.
    – Und weshalb legten Sie sich diesen bei?
    – Um mich, vor nun dreiundzwanzig Jahren, der Verfolgung der brasilianischen Behörden zu entziehen.«
    Diese Antworten klangen so bestimmt, sie schienen darauf hinzudeuten, daß Joam Dacosta entschlossen sei, über seine Vergangenheit und Gegenwart ein unumwundenes Geständniß abzulegen, daß der Richter Jarriquez, dem das in seiner Praxis weniger oft vorkam, die Nase verticaler stellte als gewöhnlich.
    »Und warum, fuhr er fort, hatten die brasilianischen Behörden Ursache, Sie zu verfolgen?
    – Weil ich im Jahre 1826, wegen der bekannten Diamanten-Angelegenheit, in Tijuco zum Tode verurtheilt war.
    – Sie gestehen also zu, daß Sie Joam Dacosta sind?
    – Ich bin Joam Dacosta.«
    Der Angeklagte sagte das Alles mit größter Ruhe, als handle es sich um die gleichgiltigsten Dinge von der Welt. Selbst die kleinen Augen des Richters wurden hinter den Lidern etwas heller, so als wollten sie sagen: »Nun, die Geschichte geht ja ihren Weg ganz allein!«
    Bald sollte jedoch der Moment kommen, wo an den Inculpaten die stets gleichmäßige Frage gerichtet wurde, auf welche von Allen stets ein und dieselbe Antwort, die Versicherung ihrer Unschuld, zu erfolgen pflegt.
    Die Finger des Richters Jarriquez begannen auf dem Tische einen leichten Triller zu trommeln.
    »Was treiben Sie in Iquitos, Joam Dacosta? fragte er.
    – Ich bin Fazender und leite ein umfängliches, wirthschaftliches Etablissement!
    – Gedeiht dasselbe gut?
    – Es befindet sich in bestem Zustand.
    – Seit wann haben Sie Ihre Fazenda verlassen?
    – Etwa seit neun Wochen.
    – Weshalb?
    – Was diese Frage betrifft, mein Herr, erwiderte Joam Dacosta, so habe ich mich dabei eines Vorwandes bedient, obgleich ich einen wichtigen Grund hatte.
    – Und worin bestand dieser Vorwand?
    – Ich erklärte, einen großen Holztrain und eine Ladung verschiedener Waaren auf dem Amazonenstrome nach Para hinunterschaffen zu wollen.
    – Ah so, bemerkte der Richter Jarriquez, und der wirkliche Grund Ihrer Reise?«
    Als er diese Frage stellte, sagte er für sich:, »Nun wären wir ja dahin, wie gewöhnlich leugnen und lügen zu hören!«
    »Der wirkliche Grund, antwortete Joam Dacosta mit fester Stimme, war der, daß ich mich entschlossen hatte, mich der Justiz meines Vaterlandes zu stellen.
    – Sich selbst zu stellen! rief der Richter, der sich in seinem Lehnstuhl etwas erhob. Sich selbst… freiwillig zu stellen?
    – Freiwillig.
    – Und warum?
    – Weil ich diese Existenz, unter falschem Namen zu leben, nicht mehr ertragen konnte, weil ich das meiner Gattin und meinen Kindern gegenüber nicht länger verantworten zu können glaubte, und endlich, mein Herr, weil…
    – Nun, weil?
    – Ich unschuldig bin!
    – Das wußte ich vorher,« murmelte der Richter Jarriquez für sich hin.
    Und während er mit den Fingern einen Marsch in schnellerem Tempo anfing, machte er Joam Dacosta ein Zeichen mit dem Kopfe, welches deutlich sagte: »Nun vorwärts! Erzählen Sie Ihre Geschichte! Ich kenne sie schon, aber ich will Sie nicht hindern, dieselbe nach Ihrer Weise vorzutragen!«
    Obwohl Joam Dacosta die wenig ermuthigende Stimmung des Beamten vollkommen erkannte, so schien er dieselbe doch nicht zu beachten. Er entrollte also ein Bild seines ganzen Lebens, sprach ruhig und gelassen, wie vorher, und überging keinen Umstand, der aus der Zeit vor oder nach seiner Verurtheilung von einiger Bedeutung erscheinen mochte. Dabei hob er keineswegs das ehrenhafte und allgemein anerkannte Leben, das er seit seiner Flucht geführt, besonders hervor, so wenig wie seine Pflichten als Haupt der Familie, als Gatte und Vater, die er so würdig erfüllt hatte. Er betonte nur eines, den Entschluß, der ihn nach Manao geführt hatte, um eine Revision seines Processes und seine Rehabilitation zu

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