Die Jangada
niemals, als wenn er zur Tafel ging, die er nicht verachtete, oder zum Whistspiel, dem er mit Leib und Seele ergeben war, wenn er gerade nicht Schach spielte, worin er als Meister gelten konnte, oder wenn er sich endlich mit chinesischen Kopfzerbrechereien, mit Räthseln, Charaden, Rebus, Anagramms, Logogryphen und dergleichen die Zeit vertrieb, was, ganz so wie bei manchem europäischen Beamten – eine wahre Sphinx aus Neigung und Profession – nicht so gar selten der Fall war.
Auf den ersten Blick erschien er als ein Original, und man sieht unschwer ein, wie viel ungünstiger Joam Dacosta’s Sache durch den plötzlichen Tod Ribeiro’s lag, da sie nun in die Hände dieses wenig zugänglichen Beamten kam.
Iarriquez’ ganze Aufgabe war übrigens eine ziemlich einfache. Er entging der Verpflichtung, erst eine ausgedehnte Voruntersuchung zu führen, er brauchte keine Debatte zu leiten, keinen Urtheilsspruch zu fällen, er hatte nicht nöthig, sich um diese oder jene Paragraphen des Strafgesetzbuches zu kümmern, um ein Strafmaß festzusetzen. Alle diese Formalitäten waren zum Unglück für den Fazender von Iquitos hier überflüssig. Joam Dacosta war schon verhaftet gewesen, abgeurtheilt, vor dreiundzwanzig Jahren in Tijuco mit der Todesstrafe belegt, welche auch durch Verjährung noch nicht aufgehoben war; von einer Strafumwandlung konnte ebenso wenig die Rede sein, wie an eine etwaige Begnadigung zu denken war. Für ihn handelte es sich also nur darum, die Identität der Person festzustellen, damit die Gerechtigkeit, nachdem die Bestätigung von Rio de Janeiro eingetroffen, ihren Lauf haben konnte.
Joam Dacosta würde natürlich nicht unterlassen, seine Unschuld zu betheuern und zu behaupten, daß er ungerechter Weise verurtheilt worden sei.
Der Richter Jarriquez. (S. 214.
Welche Ansicht das Gericht und dessen Vorsitzender auch haben mochten, jedenfalls blieb Letzterer verpflichtet, seinen Einspruch anzuhören. Dann kam es vorzüglich darauf an, mit welchen Beweisen der Verurtheilte seine Aussagen zu bestärken im Stande war. Wenn er solche aber früher den ersten Richtern nicht beibringen konnte, so erschien es doch fraglich, ob er das jetzt vermöge.
In der Entscheidung dieses Punktes gipfelte also füglich das ganze vorzunehmende Verhör.
Immerhin erschien die Thatsache, daß ein zum Tode Verurtheilter, der in fremdem Lande sicher und noch dazu unter glücklichen Verhältnissen lebte, Alles freiwillig verließ, um sich der Justiz zu stellen, von der er allem Anscheine nach doch nicht viel Gutes zu erwarten hatte, auffällig und mußte selbst einen hartgesottenen Criminalbeamten, der schon eine lange Erfahrung hinter sich hatte, mindestens stutzen machen. Ob der Verurtheilte lebensmüde war, ob ihm nur das Gewissen keine Ruhe ließ, so daß er sich selbst stellte, weil er eine Stimme in seinem Inneren auch nach so langer Zeit nicht zum Schweigen bringen konnte, das verlieh der Angelegenheit doch ein mehr als gewöhnliches Interesse. Am Morgen nach der Verhaftung Joam Dacosta’s begab sich der Richter Jarriquez also nach dem Arresthause in der Straße Gottes des Sohnes, in welchem der Gefangene sich befand. Das Haus war ein ehemaliges Missionärkloster, erbaut an einem der Hauptkanäle der Stadt. An Stelle der freiwillig Detinirten wohnten jetzt unfreiwillige Gefangene in dem, seinem Zwecke nur nothdürftig entsprechenden Gebäude. Das Zimmer, in welchem Joam Dacosta eingeschlossen war, ähnelte auch keineswegs einer jener traurigen Zellen, welche das moderne Strafsystem eingeführt hat.
»Ich bin Joam Dacosta!« (S. 219.)
Es bestand aus einer alten Mönchsklause mit einem Fenster ohne Laden, aber vergittert, und mit der Aussicht nach einer wüsten Gegend; in der einen Ecke eine Bank, eine Art Pritsche in der andern, nebst einigen wenigen rohen Utensilien, das war die ganze Ausstattung.
Am 25. August wurde Joam Dacosta gegen elf Uhr aus diesem Zimmer geholt und zum Verhör geführt, das in dem früheren Speisesaale des Klosters stattfand.
Hier saß der Richter Jarriquez auf hohem Stuhle vor seinem Schreibtisch, mit dem Rücken nach dem Fenster gewendet, so daß sein Gesicht immer im Schatten blieb, während dasjenige des Inculpaten voll beleuchtet wurde. An einem Ende des Tisches hatte der Actuar, die Feder hinter dem Ohre, Platz genommen, und erschien so gleichgiltig, wie man diese Leute, welche Fragen und Antworten mit gleichem Mangel an Interesse niederschreiben, meist zu sehen
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