Die Janus-Vergeltung
acht
Randi Russell beugte sich über Jana Wendels Schulter und verfolgte die neuesten Lageberichte. »Welcher ist der Agent?«, fragte sie. Wendel zeigte auf einen Satz von Blackhat 254.
»Das ist Tyler Biggs. Er ist beim Bahnhof postiert. Und hier …« – sie deutete auf Informationen, die über eine sichere CIA -Leitung hereinkamen – »… ist sein persönliches System. Im Moment sendet er auf beiden Kanälen, und zwar so ziemlich die gleichen Informationen, die von einem Aggregator-Programm gesammelt und an seine CIA -Website geschickt werden. Dort wird der Absender überprüft und die Nachricht dann hier gepostet.«
»Was ist, wenn ihm ein Fehler passiert? Wenn er CIA -Informationen auf der öffentlichen Seite bringt?«
Jana Wendel schüttelte den Kopf. »Nicht sehr wahrscheinlich. Er muss sich extra einloggen, um das Programm zu benutzen – und es stammt noch dazu von uns. An die Software kommt man nicht so einfach ran. Er verwendet sie auch nur, um öffentliche Informationen zu senden.«
Randi las die Beobachtungen, die Biggs von einer Straßenecke in Den Haag lieferte. Sie stimmten mit dem überein, was holländische Zivilisten über die öffentliche Webseite berichteten. Die CIA -Informationen, die Randi in einem eigenen Fenster las, lieferten jedoch ein etwas anderes Bild.
»Müssten seine CIA -Informationen nicht mit dem öffentlichen Bericht übereinstimmen?«, fragte Randi Russell.
Wendel zog die Stirn kraus. »Theoretisch schon.«
»Warum tun sie das dann nicht?«
Wendel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht funktioniert die öffentliche Webseite einfach schneller.«
Randi gefiel das gar nicht. Sie wusste nicht, wann die CIA ihre Leitungen zum letzten Mal erneuert hatte, aber sie ging doch davon aus, dass sie zumindest die Geschwindigkeit einer öffentlichen Webseite erreichten. Das Internet war heute der größte und lukrativste Tummelplatz für kriminelle Aktivitäten weltweit, und man konnte all die Hacker, Phisher und Terroristen nur wirksam bekämpfen, wenn man auch technologisch auf dem neuesten Stand blieb.
»Ich kann’s mir aber auch schwer vorstellen«, fügte Jana Wendel hinzu. »Immerhin wird die öffentliche Seite täglich von Millionen aufgerufen – viel öfter jedenfalls als die CIA -Seite. Es muss irgendeinen Grund für die Verzögerung geben.«
»Vielleicht unterstützt das Aggregator-Programm die beiden Fenster nicht gleich«, warf Nicholas Jordan ein.
Randi drehte sich um, als ihr jemand auf die Schulter tippte. Es war Cromwell, der sie mit ernstem Gesicht ansah.
»Können Sie kurz kommen? Es gibt eine neue Entwicklung.«
Randi Russell folgte ihm in einen langen Gang mit grauen Wänden und dunklem Teppich. Cromwell öffnete eine Tür mit der Aufschrift »Konferenz B«. Der Raum war mit einem großen dunklen Holztisch und schwarzen Lederstühlen ausgestattet. Eine dreieckige Freisprechanlage stand mitten auf dem Tisch, und an der Wand hing ein ausgeschalteter Flachbildfernseher. Vor dem Tisch stand Steve Harcourt, Leiter der CIA -Abteilung Mittlerer Osten, der zurzeit mit dem NYPD , dem New York Police Department, zusammenarbeitete, um Informationen über Bedrohungen von außen zu liefern. Harcourt pendelte zwischen seinem Büro in Langley und New York hin und her. Er war groß, hatte glatt zurückgekämmtes Haar, ein schmales Gesicht und intelligente Augen, die Randi kurz und diskret musterten. Harcourt war nur wenig älter als sie, etwa Ende dreißig, und hatte sich einen gewissen Ruf als Frauenheld erworben. Er trug einen dunklen Pullover, eine schwarze Hose und teure, blank polierte Wingtip-Schuhe. Cromwell schloss die Tür und nickte Harcourt zu, der mit verschränkten Armen an den Tisch gelehnt stand.
»Ich weiß nicht, ob Sie beide sich schon begegnet sind. Steve, das ist Randi Russell. Sie ist zurzeit mit einer neuen Initiative beschäftigt, Feldagenten für eine gewisse Zeit ins Hauptquartier zurückzuholen. Ihre reiche Erfahrung in kritischen Einsätzen kann uns helfen, unsere Arbeit hier zu verbessern.«
Harcourt stand auf und schüttelte Randi die Hand. »Ich habe eine Menge über Ihre Heldentaten gehört. Es fällt Ihnen bestimmt schwer, am Schreibtisch zu arbeiten.«
»Überhaupt nicht. Ich finde die Abwechslung durchaus erfrischend.«
»Sie haben uns gerufen. Gibt es Neuigkeiten?«, wandte sich Cromwell an Harcourt.
»Oman Dattar ist aus dem Gefängnis in Scheveningen entkommen.«
Randi stöhnte frustriert auf. »Der Henker? Das
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