Die Janus-Vergeltung
Süden. Er ist nur etwa zwanzig Kilometer von einem der größten Häfen der Welt entfernt.« Sie trat zu dem Flachbildschirm und zeigte auf Rotterdam. »Er wäre doch verrückt, auf einen Zug zu warten, wenn Rotterdam so nah ist. Bei den vielen Frachtschiffen können die Behörden unmöglich jedes einzelne kontrollieren. Außerdem fahren viele Frachter direkt nach Zypern, wo er ganz sicher eine Organisation findet, die ihm hilft.« Sie zeigte mit dem Finger auf die kleine Insel vor den Küsten der Türkei und Syriens. »Ich an seiner Stelle würde mir einen Schiffskapitän suchen, der mich für eine hübsche Summe mitnimmt. Binnen Stunden wäre er weit weg vom Festland und in internationalen Gewässern.«
»Das hat was für sich«, meinte Cromwell.
Harcourt war jedoch nicht überzeugt. »Rotterdam ist groß, da haben Sie recht, aber er müsste erst mal einen Kapitän finden, der ihn mitnimmt, und dann würde er mindestens sechsunddreißig Stunden auf dem Schiff festsitzen. Mit dem Zug wäre er mobil und flexibel. Wenn Gefahr droht, steigt er einfach aus.«
»Aber auf feindlichem Territorium.«
»Trotzdem. Er kann in der Menge untertauchen und seine Flucht fortsetzen.«
Cromwell stieß sich von der Tischkante ab und sah Randi Russell an. »Können Sie Ihre Agenten an beiden Orten postieren? Am Bahnhof und im Hafen von Rotterdam?«
Randi zögerte. Sie kannte den Hafen; Cromwell hatte offenbar keine Vorstellung von seiner Größe, sonst hätte er diese Frage nicht gestellt. Sie trat an den Computer, den Harcourt benutzt hatte, und rief die Webseite des Rotterdamer Hafens auf. Sie wählte eine Karte mit den wichtigsten Daten des Hafens. Die Zahlen waren atemberaubend, selbst wenn man wie sie den Hafen mit eigenen Augen gesehen hatte.
»Ein jährlicher Güterumschlag von über vierhundert Millionen Tonnen, 30 000 Frachter, 10 500 Hektar. Ich habe nicht annähernd genug Leute, um ein solches Gebiet abzudecken.«
»Und deshalb sollten wir unsere Ressourcen möglichst effizient einsetzen«, warf Harcourt ein. »Konzentrieren wir uns auf den Bahnhof, und nicht auf den Hafen. Ein, zwei Leute zusätzlich beim Hafen bringen uns nichts, aber am Bahnhof können sie sehr wohl etwas bewirken.«
Cromwell wandte sich an Randi Russell. »Was meinen Sie?«
Harcourt wirkte einen Moment lang irritiert. Randi bemerkte seine Reaktion und beschloss, behutsam vorzugehen. Es war durchaus angebracht, dass Cromwell sie um ihre Meinung fragte, nachdem sie jahrelang draußen im Feld Terroristen gejagt hatte. Andererseits verstand sie auch, dass Harcourt sich ein wenig zurückgesetzt fühlte. In der CIA gingen die Entscheidungen in den meisten Fällen vom Hauptquartier aus, nicht von den Feldagenten. Doch Randi wusste, wie es sich anfühlte, gejagt zu werden – Harcourt nicht. Randi kannte alle Tricks, wenn es galt, unentdeckt zu bleiben. Und schließlich ging es bei der neuen Initiative genau darum, Einsatzerfahrung in die Entscheidungsfindung einzubringen.
»Beckmann ist mit Smith zum Flughafen unterwegs. Ich werde sie zurückrufen, damit sie sich beim Bahnhof umsehen.«
»Ich kenne Beckmann, aber wer ist Smith?«, fragte Harcourt.
»Er ist Arzt bei der U.S. Army und hat an der WHO -Konferenz teilgenommen.«
»Was wissen wir über ihn? Kann er Anweisungen der CIA entgegennehmen?« Harcourt presste die Lippen aufeinander. Randi spürte seine Vorbehalte dagegen, dass Smith in Zusammenhang mit den Aktivitäten der CIA gebracht werden könnte.
»Ich habe mehrmals mit Smith zusammengearbeitet, wenn sich die Interessen der Army und der Agency überschnitten. Er hat schon öfter unter höchster Geheimhaltungsstufe agiert, darum gehen wir kaum ein Risiko ein, wenn wir ihn jetzt einbeziehen. Natürlich hat er als Mikrobiologe an der Konferenz teilgenommen, aber seine militärischen Fähigkeiten sind exzellent, und er ist schon vor Ort. Es könnte nützlich sein, ihn für diesen Notfall an Bord zu holen.«
Harcourt schüttelte den Kopf. »Wir brauchen keinen Mikrobiologen.«
»Vielleicht doch. Es dürfte kein Zufall sein, dass der Anschlag während einer WHO -Konferenz stattfand. Die Terroristen haben möglicherweise spezielle Bakterienproben im Hotel entdeckt.«
»Also gut, wenn Sie Smith so gut kennen … aber dann sind Sie für ihn verantwortlich. Wenn er Mist baut, werden Sie den Kopf hinhalten«, fügte Harcourt mit einem angedeuteten Lächeln hinzu.
»Ich bin im Lagezentrum«, warf Cromwell ein. »Tun Sie alles, was notwendig
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