Die Janus-Vergeltung
die Wand.« Er sprach Englisch. Dattars Englisch war makellos. Er hatte seine Ausbildung in Amerika absolviert und war eine Zeit lang der Liebling in Washington gewesen. Er hatte ihnen gesagt, was sie hören wollten: dass er an ihre Regierung glaubte und dass sie seinem Heimatland die Demokratie bringen würde. Das war natürlich gelogen, und als sie dahinterkamen, hatten sie es sehr eilig gehabt, ihn festzunehmen.
Er drehte sich um und legte die Hände an die Wand. Der holländische Wärter trat ein, nahm seine Hände und fesselte sie mit Handschellen hinter Dattars Rücken. Aus dem Fernseher ertönte das Geräusch einer Explosion. Dattar sah den Mann lächelnd an.
»Ihr Land wird angegriffen. Offensichtlich sind nicht alle einverstanden mit dem, was hier passiert.«
Der Wärter schwieg.
Der Spezialtrakt war vom Haupthaus getrennt und verfügte über einen eigenen Eingang. Gegenwärtig waren außer Dattar noch zwei Ex-Machthaber aus kleinen afrikanischen Ländern hier inhaftiert. Die Haftbedingungen solcher Führungsfiguren unterschieden sich stark von denen der übrigen Insassen, was den Einwohnern der jeweiligen Regionen nicht verborgen blieb. Die Leute in Dattars Heimat beklagten sich lautstark darüber, dass ein Kriegsverbrecher Annehmlichkeiten wie elektrisches Licht, weiche Matratzen und warmes Wasser in der Zelle genoss, während die Bevölkerung, die er terrorisiert hatte, im Elend lebte und kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser hatte. Viele forderten, er solle in seine Provinz zurückgebracht werden, um sich dort einem Gericht zu stellen, doch die Vereinten Nationen hatten das abgelehnt, weil die Korruption dort so groß sei, dass er bald wieder frei sein würde.
Sie führten ihn den Gang entlang – ein Mann ging voraus, einer an seiner Seite, und zwei folgten ihm. Die kleine Gruppe durchschritt den dunklen Korridor und passierte mehrere Sicherheitskontrollen. Sie gelangten zur Hintertür, wo ein rotes Licht leuchtete.
Dattar blickte in die Kamera hoch oben an der Wand und wartete, bis der Wärter vor ihm die letzte Tür geöffnet hatte. Kein Alarm ertönte. Dattar seufzte tief und trat in die Abendluft hinaus.
Das Gefängnis lag in einem waldreichen Gebiet von Scheveningen, einem Stadtteil Den Haags, nicht weit vom Grand Royal Hotel entfernt. Sie befanden sich in einem kleinen Hof, der von einer Ziegelmauer mit Stacheldraht begrenzt war. Die spitzen Stacheln funkelten im Licht der Scheinwerfer in den Ecken des rechteckigen Geländes. Die beiden Wachhäuser waren mit Satellitenschüsseln und automatischen Waffen ausgestattet, die ins Hofinnere gerichtet waren. Aus diesem Gefängnis gab es unter normalen Umständen kein Entkommen.
Schweigend gelangten sie zum Hauptausgang. Ein Halbkreis aus Maschendrahtzaun war an dieser Stelle der Ziegelmauer vorgelagert und sicherte das Haupttor in drei Metern Entfernung zusätzlich ab. Der Wärter öffnete das Tor zu dem Drahtkäfig, und sie schritten hindurch. Das Sicherheitssystem sah vor, dass sich das Haupttor erst öffnete, wenn das erste geschlossen war. Der Riegel schnappte ein. Sie warteten in dem kleinen Schleusenbereich zwischen den Toren, während der Wärter einen Code eintippte, um das allerletzte Schloss zu öffnen. Mit Erleichterung vernahm Dattar das Klicken, mit dem das Tor auf die Eingabe reagierte.
Der letzte Schritt bestand darin, ihn in das Transportfahrzeug zu bringen. Der erste Wärter öffnete die Wagentür und half ihm auf die Bank. Als Dattar saß, ließ der Mann die Fußketten, die am Fahrzeugboden befestigt waren, um seine Knöchel schnappen und fesselte anschließend auch seine Hände. Als er fertig war, schloss er die Tür. Dattar lauschte dem Starten des Motors und spürte, wie sich der Wagen in Bewegung setzte. Er lächelte. Sie fuhren zum Flughafen, wo er mit einem frühmorgendlichen Charterflugzeug nach England überstellt werden sollte. Dattar lehnte sich zurück und wartete. Er hätte jetzt gern seine Uhr gehabt, um zu wissen, wann es so weit war, doch die hatten sie ihm bei der Festnahme abgenommen. Die Minuten vergingen, und nichts passierte. Allmählich fragte er sich, ob etwas schiefgelaufen war. Der Van holperte über ein Schlagloch und rollte weiter durch die Nacht.
Der Angriff erfolgte mit zwanzig Minuten Verspätung. Dattar hörte den Aufschrei des Fahrers und spürte einen Ruck, als die Reifen des Wagens zerschossen wurden. Er wusste, dass der Transportwagen wahrscheinlich mit speziellen Notlaufreifen ausgestattet war,
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