Die Jenseits-Falle
größer wurde.
Gebannt blieb mein Blick auf diesem Phänomen hängen. Ich wußte, daß vor mir etwas Entscheidendes geschehen würde, meine Finger bewegten sich nervös, die Hände bildeten Fäuste, ich spürte in der rechten deutlich den harten Widerstand des Kreuzes. Auf das Kruzifix verließ ich mich.
Es hatte sich erwärmt, ein Zeichen, daß die Magie stärker geworden war und Gegenkräfte aufbauen wollte.
Es wurde nicht nur spannend, sondern unheimlich, denn innerhalb des immer größer werdenden Lochs glühte es dunkelrot wie ein Höllenauge, kreisrund war die Öffnung. Sie dehnte sich aus wie ein Ballon, wurde in Umrissen aber wesentlich gewaltiger und war schon so groß, daß ein Mensch aufrecht stehen konnte.
Es schwebte vor mir.
Darin ein rotes, unheimliches Glühen. Als ich weiterhin auf dieses seltsame Phänomen schaute, stellte ich fest, daß dieses Loch, diese Öffnung, auch die entsprechende Tiefe besaß. Es kam mir vor wie ein Eingang in einen Tunnel, der irgendwie in die Unendlichkeit führte. Was hatte es zu bedeuten?
Da hörte ich wieder Myxins Stimme. Sie klang in meiner Nähe auf, obwohl ich den kleinen Magier nicht sehen konnte. »Keine Angst, John Sinclair, bleib ruhig, dir wird nichts geschehen.«
»Das sagst du so einfach«, antwortete ich lakonisch und meine Überraschung nicht zeigend.
»Ruhig, nur ruhig…«
War es eine Gefahr, die mir aus dieser Öffnung entgegenwehte? Ich versuchte sie zu spüren, mit dem Körper zu fühlen, und ich sah auch die seltsamen Schwaden, die innerhalb der roten Öffnung wallten und tanzten. Ein düsterer, gefährlicher Nebel, hinter dem sich jetzt eine kleine Gestalt abzeichnete, die allmählich näher kam und sich auf den Aus-oder Eingang zubewegte.
Ein Schatten, eine Kontur - mehr nicht…
Angespannt blieb ich stehen. Die Gestalt wurde größer. Aus dem Zwerg entstand ein Mensch.
Wirklich ein Mensch?
Nein, so bewegte sich keiner. Diese Gestalt in dem roten Tunnel vor mir schwebte. Sie hatte überhaupt keinen Kontakt mit dem Boden gefunden, und auch ihre Umrisse blieben nicht gleich fest oder hart. Sie bewegten sich ebenfalls. Das war jemand, der eine Kutte trug, die bis auf die Erde reichte. Dazu hatte er die Kapuze hochgezogen, so daß von seinem Gesicht so gut wie nichts zu sehen war.
»Erkennst du ihn nun?« vernahm ich Myxins Frage und zuckte zusammen, als ich die Hand des Magiers an meinem Arm spürte.
»Ja«, flüsterte ich, »es ist der Spuk…«
***
»Rühr sie nicht an!«
Alassia hatte diese Worte gesprochen. Suko verstand sie genau, aber er würde einen Teufel tun. Nein, so einfach ließ er sich nicht bluffen. Für einen winzigen Moment starrte er auf den Griff der Waffe. Seine Hand schwebte dicht darüber, er brauchte nur noch zuzupacken, und das tat er auch.
Ohne auf die warnenden Worte der Dämonin zu achten, riß der Chinese das Schwert mit der goldenen Klinge an sich und wirbelte damit herum. Noch in der Drehung sah er Alassia und stellte fest, daß sie sich seit ihrer ersten Begegnung nicht verändert hatte.
Noch immer war sie nackt. Von ihrem Körper allerdings konnte Suko nicht viel erkennen, da das lange schwarze Haar ihn fast völlig verdeckte. Es reichte bis zu den Fußspitzen und ließ nur in Höhe des Kopfes den Gesichtsausschnitt sehen.
Ein kaltes, böses Gesicht, grau anzusehen und mit leblosen Augen.
»Da!« schrie Suko.
Gewaltsam rammte er seine Hand vor und damit auch die Klinge. Er wollte sie der Dämonin Alassia in den Leib stoßen, wobei er hoffte, sie auf diese Art und Weise vernichtend zu töten.
Die Klinge war nicht einmal für die Länge eines Herzschlags unterwegs. Aber in dieser kaum meßbaren Zeitspanne baute Alassia ihre Gegenmagie auf und bewies damit, wie stark sie war. Sie wurde zum Schatten.
Als die Klinge ihren Körper berühren wollte, da war sie schon eine andere und wischte zur Seite.
Der Stoß gings ins Leere.
Suko wurde nach vorn katapultiert.
Er hatte mit Alassias Gegenreaktion nicht gerechnet, konnte sich auch nicht mehr abfangen und wäre fast noch gestolpert. Alassia lachte. Sie war sich ihrer Stellung in dieser bizarren Schattenwelt sehr wohl bewußt, und dieses Lachen dokumentierte ihre Überlegenheit, die Suko allerdings nicht anerkennen wollte. Er war wie ein Phantom, schnell unberechenbar, und das Schwert mit der goldenen Klinge wurde von ihm meisterlich geführt.
Vielleicht hatte Suko eine Chance gehabt, wenn er die Waffe auch auf eine andere Art und Weise hätte
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