Die Jenseits-Falle
voller Inbrunst hervor, und ihre Augen wurden dabei noch dunkler. Suko schluckte. Er wußte, daß er eine große Chance verspielt hatte. Mit Gewalt konnte er nicht viel erreichen, vielleicht durch Worte. Kara konnte sich einfach nicht so schnell gewandelt haben, es mußte noch ein Rest ihrer früheren Ansichten vorhanden sein. Sie hatte das Böse immer bekämpft, schon damals, als Atlantis noch existierte, und das sollte plötzlich mit einem Schlag vergessen sein?
»Kara!« Suko sprach mit großer Eindringlichkeit. »Überlege dir genau, was du tust!«
»Das habe ich bereits!«
»Dir geht es um den Trank, nicht wahr?«
»Ja, allein darum.«
»Hast du ihn schon gesehen? Hat Alassia ihn dir gezeigt?« Da Kara schwieg nahm Suko an, bei ihr eine verwundbare Stelle getroffen zu haben. »Also nicht«, fuhr er fort. »Du hast den Trank nicht einmal gesehen, und du weißt nicht, ob er sich überhaupt in Alassias Händen befindet. Traue nie einem Dämon, nach der Devise hast du gelebt. Auch hier gilt dieser Satz. Es ist längst nicht bewiesen, daß Alassia den Trank besitzt. Ich weiß selbst, wie sehr du ihn vermißt hast, und ich gönne dir auch von ganzem Herzen, daß du ihn bekommst, aber laß ihn dir zeigen, bevor du irgend etwas unternimmst. Dann sehen wir weiter!«
Suko hatte diese Worte bewußt gewählt. Er wollte Zweifel säen, denn er wußte, daß Kara schon ein paarmal genarrt worden war. Sie hatte schwer daran zu leiden gehabt, deshalb sah Suko nicht ein, daß sie auf irgendein obskures Versprechen hin etwas tat, was sie später nicht mehr gutmachen konnte.
»Du redest viel«, flüsterte Kara. »Zuviel für meinen Geschmack. Aber Alassia hat den Trank!«
»Dann laß ihn dir zeigen!« schrie Suko.
»Ich vertraue ihr!«
Der Chinese verzog das Gesicht, wobei er die Augen verdrehte. »Das ist ein völlig falsches Vertrauen, glaub es mir. Du wirst die schwerste Enttäuschung deiner bisherigen Existenz erleben. Alassia spielt falsch!«
Kara war nicht zu belehren. »Soll ich ihn töten?« schrie sie und drückte fester zu.
Suko spürte den Schmerz, und er merkte, daß es naß aus der Wunde an seinem Rücken rann. Hart biß er die Zähne zusammen. Kein Laut des Schmerzes drang über seine Lippen.
»Natürlich wirst du ihn töten«, erwiderte Alassia, »aber nicht so.« Sie lachte plötzlich. »Ich weiß, daß Dr. Tod den Kopf von Asmodina in seinen Händen gehalten hat. Ich will den Schädel des Chinesen - und danach den des Geisterjägers.«
»Ich soll Suko köpfen?« Die Frage klang ein wenig erstaunt.
»Ja.«
Kara überlegte. Suko spürte ihre innere Erregung dabei. Sie übertrug sich auf das Schwert, denn die Spitze in seinem Rücken zitterte. War Alassia jetzt zu weit gegangen? Hatte sie die Solidarität ihrer Partnerin überschätzt?
Jemanden zu töten ist eine Sache, aber einem Menschen den Kopf abzuschlagen eine andere.
Wie würde Kara sich verhalten?
Die Schöne aus dem Totenreich ließ sich Zeit. Sie erhöhte die Spannung, bis sie sich räusperte und sagte: »Jawohl, ich werde ihm den Kopf abschlagen!«
Für Suko waren die Worte wie ein Schlag, den er in den Magen bekommen hatte. Aber er hatte sich so gut in der Gewalt, daß keiner ihm etwas anmerkte.
In diesen Augenblicken dachte er an Flucht.
Seine Gedanken schienen von Alassia erraten worden zu sein. Augenblicklich schob sie dem einen Riegel vor, und Suko erlebte abermals das Grauen dieser nicht erklärbaren und unfaßbaren Welt. Er konnte sie plötzlich nicht mehr bewegen. Das begann an den Füßen, kroch höher, erreichte die Knie und wanderte weiter, bis zu den Oberschenkeln.
Als Suko den Blick senkte, glaubte er, verrückt zu werden. Seine Beine waren nicht mehr zu sehen. Die von unten hervorkriechenden Schatten hatten sie gefressen. Von Suko schwebte nur noch der Oberkörper über den Boden, und die Schatten waren noch längst nicht zur Ruhe gekommen, sie wanderten weiter, glitten an seinen Hüften hoch.
Wenn ich jetzt nichts tue, bin ich verloren! dachte der Chinese. Er wollte seine Dämonenpeitsche einsetzen. Kaum hatte er den rechten Arm bewegt, es war nur ein Zucken, drückte Kara noch fester die Spitze der goldenen Klinge in seinen Rücken.
»Rühr dich nicht«, flüsterte sie gefährlich leise. »Wag es nur nicht, Suko!«
Da blieb der Inspektor in seiner ursprünglichen Haltung steif stehen. Ihm war klargeworden, daß er es nicht mehr schaffen konnte, die Chance war vertan.
Gefühl spürte er nicht mehr in seinen Beinen.
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