Die Jerusalem-Krise
aufspringen und wegrennen, aber er blieb hocken, stellte den Krug zurück und zeigte uns sein schwitzendes Gesicht.
»Sie haben Angst!«, stellte ich fest.
Er wand sich. Schluckte. Räusperte sich, verdrehte die Augen und schaute gegen die Decke, aber auch dort bekam er keine Antwort.
»Mir ist nicht gut«, flüsterte er. »Ich habe Kopfschmerzen. Das müssen Sie begreifen.«
»Haben Alan Long und Dan Smith Sie erwischt?« Die Frage hatte Suko gestellt, und er hatte damit voll ins Schwarze getroffen, denn Peter Graves zuckte zusammen.
Trotzdem fragte er: »Wer sind die beiden denn? Die... die... Namen kenne ich nicht.«
»Das glauben wir Ihnen gern«, erklärte Suko lächelnd. »Freiwillig geben sie sie auch nicht preis. Soll ich sie Ihnen beschreiben, Mr. Graves?«
»Nein.«
»Was ist passiert?«, fragte ich.
Graves stöhnte leise auf. »Bitte, ich möchte nicht reden. Ich will nur meine Ruhe haben. Der Stoß gegen den Kopf war verdammt schlimm. Auch wenn ich es möchte, ich bin nicht in der Lage, heute noch mal in die Kirche zu gehen. Wir könnten es auf morgen verschieben. Ist das eine Lösung?«
»Für Sie vielleicht«, sagte Suko. »Für uns nicht. Es bleibt bei unserem Vorsatz.«
Der Mann bekam große Augen. Er wich unserem Blick aus. Wahrscheinlich ahnte er, dass wir ihn längst durchschaut hatten. Aber er sagte kein weiteres Wort.
Ich blieb beim Thema. »Wir kennen Ihre Verfolger inzwischen, Peter. Wir haben sie erlebt. Und sie wussten auch über uns recht gut Bescheid. Da denkt man natürlich daran, dass es jemanden gegeben haben muss, der sie informiert hat.«
»Meinen Sie mich?«
»Wen sonst?«
»Nein, ich habe nichts gesagt.«
Es war ihm anzusehen, dass er log. Einer wie er war es nicht gewohnt, über längere Zeit bei der Unwahrheit zu bleiben. Aber wir konnten ihn auch nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen.
»Auch wenn Sie sich vor Ihren Verfolgen fürchten, was verständlich ist, müssen wir Ihnen sagen, dass Sie vor ihnen keine Angst mehr zu haben brauchen. Wir haben sie aus dem Verkehr gezogen. Zumindest gehen wir davon aus, dass es die beiden gewesen sind, die auch Ihnen Angst eingejagt haben. Sie sollten es sich wirklich überlegen. Allerdings nicht zu lange, bitte.«
»Ich gehe nicht in die Kirche.«
»Ihr letztes Wort?«
»Ja«, flüsterte Graves. »Ich möchte eigentlich in dieser Nacht meine Ruhe haben. Morgen ist auch noch ein Tag. Da könnten wir dann gemeinsam hingehen.«
Wir sahen ein, dass wir ihn nicht überreden konnten. Etwas hatte sich in ihm festgefressen, und es konnte durchaus sein, dass es sich dabei um eine Drohung handelte. Man hatte ihm geraten, sich zurückzuhalten, und er würde dagegen nicht aufbegehren.
»Gehen Sie denn?«, fragte er noch.
»Was denken Sie denn? Wir sind wirklich nicht hergekommen, um Urlaub zu machen. Wir haben einen Job, und den ziehen wir durch. Wobei wir nicht mit irgendwelchen Störungen von außerhalb rechnen. Das sehen wir anders als Sie.«
»Ich kann Sie nicht zurückhalten.«
Es war uns klar, dass man diesen Mann sehr unter Druck gesetzt hatte. Peter Graves gehörte zudem nicht zu den Menschen, die in der ersten Reihe standen. Zwar arbeitete er für die Weiße Macht, doch mehr im Hintergrund. Man konnte ihn als einen Informanten ansehen, der plötzlich ins kalte Wasser geworfen worden war.
»Viel Glück«, wünschte er uns noch, als wir uns erhoben. Suko ging zur Theke und beglich die kleine Rechnung.
Ich blieb am Tisch stehen. »Haben Sie uns noch etwas zu sagen, Mr. Graves?«
»Was meinen Sie denn?«
»Was das von Ihnen entdeckte Bild angeht?«
»Es ist nur eine bemalte Wand, nicht mehr. Das habe ich Ihnen schon gesagt. Aber ich weiß auch, dass es nicht nur ein schlichtes Bild ist. Es steckt mehr dahinter. Ein Rätsel.«
»Eine Krise?«
Er hob die Schultern.
»Vielleicht der Weg zum Schatz. Zu Teilen des alten Templerschatzes. Ist es das?«
»Ich habe nichts Konkretes, Mr. Sinclair. Es ist alles so anders geworden.«
»Dann ruhen Sie sich aus. Es ist auch nicht tragisch, wenn wir alleine gehen. Den Weg werden wir finden.«
»Bestimmt.«
Er sagte nichts mehr und kam mir vor wie ein Mensch, der sich schämte, weil er so schwach war. Hier allerdings konnte er nicht über seinen eigenen Schatten springen.
Suko war schon nach draußen gegangen. Er wartete neben dem Mini auf mich. »Hast du ihn überzeugen können?«
»Nein, auf keinen Fall.«
»Er hat Angst!«
Diesmal ließ ich Suko fahren und öffnete die
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