Die Jerusalem-Krise
wir das sehen. Wir holen uns nur das zurück, was uns gehört.«
»Wir?«
»Quatsch. Wir bereiten nur den Weg vor. Du kannst ja zu deinem Chef gehen, wenn du willst und noch länger die harmlose Assistentin spielen. Wir haben nichts dagegen.«
»Nein, nein, ich werde schon an eurer Seite bleiben. Außerdem wird mich Peter nicht vermissen. Der hat genug mit seinen eigenen Problemen zu tun, das glaube mir mal.«
»Wie du willst.«
»Nehmen wir den Wagen?«
»Zu Fuß gehe ich nicht«, sagte Alan. »Aber wir werden ihn gut verstecken und dann Zusehen, dass wir den richtigen Weg finden.«
Doreen schnippte mit den Fingern. »Eine Frage habe ich trotzdem noch. Was machen wir, wenn Sinclair und dieser Suko erscheinen?«
Alan gab eine sehr kryptische Antwort. »Du weißt doch, meine Liebe, wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.«
»Die manchmal sogar mit Blut vermischt sind«, erklärte Doreen.
***
Rosslyn Chapel fanden wir außerhalb des Ortes, und ich sah sie wohl als eine der ungewöhnlichsten Kirchen an, die ich je in meinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Sie war sogar noch gut erhalten, und selbst bei diesem dünnen Nebel nicht so eingespannt, als dass wir keine Einzelheiten hätten sehen können.
War sie überhaupt eine Kirche?
Ich wusste es nicht so recht. Ich stand davor, schwieg und schaute sie mir nur an. Ihre Form kam mir sehr bizarr vor. Für eine Kapelle war sie sehr groß. Wahrscheinlich hatte man sie als Teil einer anderen Kirche bauen wollen, die dann nicht mehr entstanden war. So hatte sich dieser Tempel hier halten können, und der Vergleich mit einem heidnischen Tempel kam mir nicht so weit hergeholt vor. Sie bestand aus vielen Türmen, die durch ein großes Bogendach miteinander verbunden waren. Soviel ich erfahren hatte, diente sie auch als Grabstätte für die Grafen von Rosslyn, die man in ihren Rüstungen beigesetzt hatte.
»Woran denkst du, John?«
»Ich wundere mich über diese Kirche.«
»Stimmt. Sie sieht schon besonders aus.«
»Dann lassen wir uns mal überraschen.«
Ich ging noch nicht auf den Eingang zu und dachte daran, dass hier auch ein gewisser Henry St. Clair gewirkt hatte, der mit einem Schiff sogar bis nach Amerika gesegelt war.
Ob das alles so zutraf, darüber rätselten die Wissenschaftler, und ich machte mir ebenfalls meine Gedanken.
Alles war vor dem Jahre 1400 geschehen. Da hatte Henry St. Clair die Flotte zusammengestellt und war über das Meer gesegelt. Das wollte einfach nicht aus meinem Kopf, auch dann nicht, als wir gut zwei Minuten später die Kirche betreten hatten.
Standen wir in einem Gotteshaus?
Ich wusste nicht, welche Gefühle Suko durchströmten, bei mir sahen die Gedanken anders aus. Wiederum glaubte ich daran, in einem fast heidnischen Tempel zu stehen, denn nicht nur das berühmte Kreuz der Templer war überall zu sehen, sondern auch zahlreiche keltische, jüdische, ägyptische und freimaurerische Symbole.
Es gab kaum eine Säule, die nicht durch Symbole geschmückt worden war. Mir fiel eine Darstellung besonders auf, die ich immer dicht unter der Decke sah, damit die Gestalt auch nach unten auf die eintretenden Menschen schauen konnte.
Beim ersten Hinsehen konnte man an einen Buddha denken, doch sein Abbild war hier nicht zu sehen. Dann fiel mir ein, dass die gedrungene und hockende Gestalt durchaus der Grüne Mann sein konnte. So wurde der keltische Vegetations- und Fruchtbarkeitsgott dargestellt. Sogar die Flügel hatte man nicht vergessen und somit eine Verbindung zu den christlichen Engeln geschaffen.
Ich wanderte weiter durch die Stille, die nur vom leichten Knirschen meiner Tritte unterbrochen wurde. Als auch dies nicht mehr zu hören war, stand ich bereits im Ostteil der Kirche, wo ich ebenfalls die Säulen bestaunte, die symbolische Figuren zeigten.
Diesmal waren es Engel. Auch sie kamen mir gedrungen vor. Sie hockten da, ihre Flügel schauten übergroß an beiden Rückenhälften hervor, und ein Engel deutete durch die Haltung seiner Hände auf die rechte Wade und seine Brust. Es war eine demütige Geste, wie sie auch im Freimaurerritual benutzt wurde.
Ein Engel stand sogar auf dem Kopf. Er war gefesselt. Die Stricke umschlangen sogar seine Flügel. Was hatte man damit aussagen wollen? Waren die Engel plötzlich verhasst geworden?
Noch hatten wir Tageslicht. Es drang durch die zahlreichen recht langen Fenster, war aber vermischt mit dem dünnen Nebeldunst, der sich ebenfalls in der Kirche ausbreitete und aussah wie nicht
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