Die Jerusalem-Krise
beschäftigen und zahlreiche Messungen durchführen. Erst dann können wir beginnen.«
»Wobei Sie die Krypta entdeckt haben.«
»Ja, das war nicht schwer.«
»Warum nicht?«
»Man findet sie dort, wo auch die Grafen von Rosslyn ihre letzten Ruhestätten gefunden haben. Der Zugang ist nicht mal so schwer zu finden.«
»Das haben wir nicht geschafft.«
Doreen Kelly lachte hell auf. »Sie haben auch noch nicht direkt danach gesucht.«
»Stimmt. Würden Sie uns denn helfen?«
»Deshalb bin ich ja hier.«
»Das ist gut.«
Suko hatte sich die meiste Zeit mit Doreen unterhalten. Sie gab bereitwillig Auskunft. Sie war locker und so gar nicht reserviert uns Fremden gegenüber. Ich wunderte mich nur darüber, dass sie trotzdem hergekommen war. Eigentlich hätte Peter Graves sie warnen müssen. Das hatte er wohl nicht getan. Davon ging ich aus, denn irgendwelche Vorsicht legte sie nicht an den Tag.
Es konnte auch sein, dass er ihr nichts von seinen Verfolgern erzählt hatte, um sie nicht zu ängstigen, aber das würde sich alles noch finden.
Mein versonnener Blick schien Doreen nicht zu gefallen, denn sie fragte: »Warum schauen Sie mich so an?«
»Ich finde es mutig, dass Sie gekommen sind.«
»Bitte, John, das ist mein Arbeitsplatz. Was ist daran mutig, wenn ich ihn besuche?«
»Nun ja, wir befinden uns schließlich nicht an einem normalen Ort.«
»Ich bitte Sie. Ist eine Kirche für Sie nicht normal?«
»Das schon. Aber diese hier ist anders.«
»Da haben Sie auch wieder Recht. Sie ist spannend, und sie weist uns Wege in die Vergangenheit hinein. Das finde ich ungewöhnlich toll. Ich arbeite gern hier.«
»Getroffen haben Sie unterwegs niemand?«
»Nein«, erwiderte sie erstaunt. »Wer läuft bei diesem Wetter schon im Freien herum?«
»Stimmt auch wieder.«
»Dann können wir uns das Bild ja mal anschauen, auf das auch Sie so scharf sind, wie man mir erzählt hat. Es kann auch sein, dass Sie enttäuscht sind. Was haben schon drei Männer, die den Betrachter mit unterschiedlichen Blicken anschauen, für eine Aussage?«
»Wir werden sehen.«
»Dann darf ich vorgehen?«
»Bitte.«
Während sich Doreen Kelly mit nach unten gerichtetem Blick in Bewegung setzte, irrten meine Gedanken zurück zu einer anderen Frau, die Julia Ritter hieß.
Ich hatte sie in einer Kirche in Gent kennen gelernt. Dort war sie angestellt, um den Besuchern das berühmte Genter Altarbild näher zu bringen. Als Fremdenführerin war sie dann in einen Schicksalssog hineingezogen worden, der letztendlich zu ihrem Tod geführt hatte.
Auch Doreen Kelly war für mich so etwas wie eine Fremdenführerin, obwohl sie möglicherweise Teile ihres Wissens für sich behielt und nicht weitergab.
Peter Graves Beschreibungen zufolge hatte ich sie mir anders vorgestellt, längst nicht so couragiert, doch ihr Auftreten war das glatte Gegenteil davon. Sie wusste genau, was sie wollte.
Auch jetzt bewegte sie sich durch die alte Tempelkirche, als wäre es ihre eigene Wohnung. Ich hatte meine Blicke überall und erlebte immer wieder Überraschungen, was die Ausstattung anging. Das Kreuz der Templer überwog, aber auch Zirkel und Winkel waren in den alten Stein gemeißelt worden.
Wir blieben zwar an der westlichen Seite der Kirche, aber wir erreichten auch ein Gebiet, in dem es recht düster war, weil keine Fenster in der Nähe lagen, durch die hätte Licht dringen können. Außerdem lief die breite Wand aus und traf vor uns mit der schmaleren an der Nordseite zusammen.
Doreen Kelly blieb stehen.
»Hier ist es!«
»Hier?«, wunderte ich mich.
»Ja, der Zugang, John. Sie kennen sich doch sicherlich aus und besichtigen nicht zum ersten Mal eine Krypta.«
»Da haben Sie allerdings Recht.«
»Ihr müsst nur die Augen weit offen halten. Die Treppe liegt links von uns im Dunkeln.«
»Gut.«
Suko und ich schalteten die Lampen ein. Dicht an der Nordwand gab es tatsächlich eine alte Steintreppe, die nach unten führte. Ich musste daran denken, wie oft ich schon über derartige Stufen gelaufen war. Immer hatte ich darauf achten müssen, mich nicht zu vertreten, und auch hier setzte ich die Füße vorsichtig auf. Das alte Gestein glänzte, weil der Staub, der eigentlich hier hätte liegen müssen, abgetreten worden war.
Doreen bewegte sich sicherer als Suko und ich. Sie war den Weg schon öfter gegangen. Schließlich blieb sie vor einer alten Tür stehen. Dort fanden sich auch die Lichtkegel unserer Lampen wieder.
»Der Eingang, meine
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