Die Jerusalem-Krise
Hinaufklettern.
Suko hatte seine Taschenlampe hervorgeholt und strahlte gegen die Decke zwischen den Säulen.
»Siehst du was?«
»Nein, nichts. Keine Malereien. Sie liegt frei.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
»Aber du willst an das Bild.«
Ich wies mit dem rechten Daumen nach unten. »Dort müssen wir hinunter. Da werden wir es finden.«
»Wichtiger ist der Einstieg.«
»Später, Suko.«
Ich wollte in Richtung Decke steigen und mir auch anschauen, welche Arbeiten Peter Graves und seine Assistentin schon hinter sich gebracht hatten.
Ein Großteil der Säule war bereits restauriert worden. Sie reichte hoch bis zur Decke und stützte dort das Dach ab. Sie war sehr breit, und um sie herum liefen steinerne Schlangen. Möglicherweise waren es auch Gewächse, die man hier symbolisch andeutete.
Ich bin kein Fachmann, was Restaurationen angeht, aber ich habe Augen im Kopf. Mir fiel auf, dass an dieser Säule nichts getan worden war, obwohl zwei Leitern sie einschlossen.
Ich war hochgestiegen und holte ebenfalls meine Lampe hervor. Wie Suko ließ auch ich die helle Botschaft über die Decke gleiten und stellte dort das Gleiche fest.
Man hatte nichts an ihr getan.
Sie besaß Risse. An einigen Stellen schaute der blanke Stein durch, weil der Putz abgeblättert war, doch mit den richtigen Arbeiten war hier noch nicht begonnen worden.
So gut wie möglich strahlte ich auch die zweite Säule an. Sofern ich das erkannte, setzte sich dort das gleiche Spiel fort. Nichts war von einer Restaurierung zu sehen.
»Was ist los, John? Wonach suchst du?«
»Ich weiß es selbst nicht. Aber das sieht mir so aus, als wäre hier noch nicht gearbeitet worden.«
»Vielleicht wollten sie erst anfangen.«
»Nein, das glaube ich nicht. Beide hielten sich schon länger hier auf. Dazu kann ich nur eins sagen.«
»Und was?«
»Es könnte eine Tarnung gewesen sein. Man hat hier das Gerüst aufgebaut, verfolgt aber in Wirklichkeit einen ganz anderen Plan. Du kannst dir denken, was ich meine.«
»Ja, das alte Bild.«
»Genau. Und da es unter der Erde liegt, werden wir den Zugang suchen müssen.«
»Das wird nicht schwierig werden. Ich sehe die Interpretation des Bildes als komplizierter an.«
Ich gab die Antwort erst, nachdem ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte. »Da kannst du richtig liegen. Gewisse Personen scheinen zudem Angst vor dem Bild zu haben.«
»Lass uns mal die Augen offen halten.« Suko drehte sich und schwenkte seine Leuchte mit.
Ich ließ ihn vorgehen, schaute auch nicht mehr zurück. Hätte ich es getan, wäre mir die Person vielleicht aufgefallen. So aber wurden wir beide überrascht.
»Gefallen Ihnen unsere Arbeiten?«
***
Die Frau hatte nicht sehr laut gesprochen. Das war zwischen diesen Wänden auch nicht nötig. Der Hall ihrer Stimme erreichte uns auch so, und wir hörten noch das leise Lachen, bevor wir uns umdrehten.
Vor uns stand eine Frau.
Und die kannten wir. Es war die Person, die den Pub verlassen hatte und jetzt hier in der großen Kapelle stand. Sie trug noch immer ihre dicke Jacke, den Pullover und die Hose. Ihre Füße steckten in hohen Turnschuhen. Da sie jetzt näher kam, konnten wir sie besser sehen. Ihr Gesicht zeigte ein Lächeln. Sie sah völlig normal aus, war keine perfekte Schönheit, eben eine normale Frau, die ihre halblangen Haare leicht rötlich eingefärbt hatte.
»Wenn Sie schon so fragen«, sagte ich, »dann können wir Sie wohl als Doreen Kelly anreden.«
Sie lächelte breit und nickte. »Das können Sie. Und zu Ihnen muss ich John Sinclair sagen.«
»John reicht.«
Suko war zu mir gekommen und nickte Doreen zu, die ihn mit einem lässigen »Hi, Suko!« begrüßte.
»Was hat Sie denn zu uns getrieben?«, erkundigte ich mich.
»Die Sorge eines gewissen Mannes, der unter starken Kopfschmerzen leidet.« Sie hob etwas verlegen ihre Schultern. »Ich will nicht gerade sagen, dass er Angst um Sie hat, aber er fand es besser, wenn ich bei Ihnen bin und Sie unterstütze.«
»Das ist nett.« Ich nickte ihr zu. »Unterstützung können wir wirklich brauchen.«
»Wobei genau?«
Suko deutete mit der Hand nach oben. »Sehr fortgeschritten sind die Restaurationen ja wohl nicht.«
»Kennen Sie sich aus?«
»Kaum.«
»Aber Sie haben Recht, Suko. Weit sind wir noch nicht gekommen. Es ist nicht unsere Schuld, denn bis man so etwas in Angriff nehmen kann, vergeht immer eine Weile. Nicht nur der Aufbau des Gerüstes ist wichtig. Wir müssen uns zudem mit der Statik
Weitere Kostenlose Bücher