Die Jerusalem-Krise
versetzt stand der Bischof. Ich ging davon aus, dass er diesen hohen Rang bekleidete, denn in seiner rechten Hand hielt er einen Bischofsstab. Auf dem Kopf trug er eine nach oben ausgebeulte eckige Kappe. Er war mit einem braunen Mantel bekleidet, und sein Gesicht zeigte einen finsteren Ausdruck. Der Blick kam mir böse vor. Die Lippen lagen hart aufeinander, und er schielte dabei auf den vor ihm stehenden Mann.
Es gab noch einen Dritten.
Er trug einen grünen Mantel, der beinahe schon modern aussah. Seine Haare waren blond und recht kurz geschnitten, aber gescheitelt. Auch in seinen Gesichtszügen malte sich keine Freundlichkeit ab. Seine rechte Faust umklammerte ein Kreuz, die linke war um einen Gegenstand geschlungen, der wie ein Messer aussah.
Ich konzentrierte mich wieder auf den Mann im Vordergrund. Er war mit einem Mantel bekleidet, der schon mehr einem Umhang glich. Ein hochstehender Kragen, schwarze Kleidung darunter, braune Haare, ein sehr willensstarker Gesichtsausdruck, dunkle Augen, und auch hier sah ich kein Lächeln auf den Lippen.
Suko hatte das Bild in der Wand ebenso betrachtet wie ich und auch keinen Kommentar abgegeben. Ich hörte nur sein scharfes Atmen.
Natürlich musste das Bild interpretiert werden. Ich machte mir auch darüber Gedanken. Es war allerdings schwer, zu einem Ergebnis zu gelangen. Freundlich sahen die Männer nicht aus. Eher entschlossen, sich einer bestimmten Aufgabe zu widmen.
Sehr langsam drehte ich den Kopf nach links, um Doreen Kelly anzuschauen, die in einer recht lockeren Pose dastand und die Arme lässig in die Seiten gestützt hatte.
»Ist dieses Bild das Geheimnis von Rosslyn Chapel?«, fragte ich sie.
»Es gehört dazu.«
»Und weiter?«
»Was meinen Sie?«
Ich lächelte knapp. »Nun ja, diese drei Männer werden nicht namenlos sein. Ich denke, Sie können mir da weiterhelfen.«
Doreen trat näher an uns heran. Im Licht der Lampen warf ihr Körper einen langen Schatten. Als sie stehen blieb, nickte sie der Wand zu. »Der unbekannte Künstler hat sich schon etwas dabei gedacht, als er dieses Werk schuf. Er hat die Menschen so konkret gemalt. Man kann den Eindruck bekommen, dass sie leben und nur für einen Moment erstarrt sind. Mir kommt es immer vor, als warteten sie darauf, von ihrer Starre erlöst zu werden, um in das Leben eingreifen zu können.«
»Gut«, sagte ich, »das kann man sehen, wie man will. Aber ich brauche Namen, Doreen. Sie haben sich mit dem Fund beschäftigt. Ebenso wie Peter Graves. Sie müssen doch wissen, wen der Maler dort dargestellt hat. Ich glaube nicht, dass er nur seine Fantasie hat spielen lassen.«
»Das sicherlich nicht«, gab sie zurück.
»Also! Wie weit sind Sie gekommen?«
»Zwei von ihnen sind bedeutende Personen aus der Vergangenheit. Sie haben dort ihre Zeichen gesetzt. Schauen wir uns den Geistlichen mal an. Peter und ich sind übereinstimmend der Ansicht, dass es sich hierbei nur um einen bestimmten Mann handeln kann, der auf den Namen Hugo de Payens hört, den Gründer des Templerordens.«
Doreen Kelly wartete auf meine Antwort. Ich enttäuschte sie nicht. Zuerst nickte ich und sagte dann: »Das könnte stimmen, denn in diese Gegend weisen zahlreiche Spuren.«
»Eben.«
»Was ist mit den beiden Restlichen?«
»Einer hat hier das Sagen«, erklärte uns Doreen nach einem tiefen Atemzug. »Sie sehen es an seiner Haltung. Er streckt den Arm vor. Er ist so etwas wie der Boss. Er ist willensstark. Er ist nicht zu stoppen. Er führt durch, was er sich vorgenommen hat. Das hat der Künstler schon zum Ausdruck gebracht.«
»Wie heißt er?«
Doreen machte es spannend. Sie hob die Schultern und meinte dann: »Wir haben lange überlegt und sind dann zu einem Schluss gelangt. Er heißt unserer Meinung nach Henry St. Clair...«
Komisch, es war für mich keine Überraschung. Ich hatte mit dieser Erklärung gerechnet und nickte in Richtung des Bildes. Dieser Name war mir schon öfter begegnet. Ich hatte mir keine Vorstellung von St. Clair gemacht und nie darüber nachgedacht, wie er wohl ausgesehen hatte, aber die Haltung und sein Aussehen trafen meiner Meinung nach zu. So konnte man sich ihn vorstellen. Jemand, der das Sagen hatte und sich auch durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Sein Wille war Gesetz. Seine Befehle mussten durchgeführt werden. Er hatte es auch geschafft, die Kirche hier zu bauen, und wer das durchzog, der konnte einfach kein Schwächling sein.
»Warum sind Sie so still, John?«
»Ich denke nur
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