Die Joghurt-Luege
Bei der Ausarbeitung der Kriterien für das QS-Siegel hatten Verbraucherverbände nie ein Wort mitzureden, sondern nur Interessenvertreter der Wirtschaft. QS ist ein lobenswerter erster Schritt in die richtige Richtung – an den Wurzeln packt das System die Probleme nicht.
Lebensmittel-TÜV
Vom Auto über die Bohrmaschine bis hin zur Partner-Vermittlung: Das TÜV-Siegel schmückt mittlerweile alle erdenklichen Produkte und Dienstleistungen. Im Fokus der Überprüfung stehen Technik und Eignung für den vorgesehenen Einsatz, keine andere Produkteigenschaft. |297| Beispielsweise prüft der TÜV mithilfe chemischer Untersuchungen, ob ein neu entwickeltes Haushaltsgerät für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet ist. Grundlage der Beurteilung sind Gesetze, in diesem Fall das Lebensmittelbedarfsgegenständegesetz (LFBG), die Niederspannungsrichtlinie und das Gerätesicherheitsgesetz. Für Elite-Partner, die erste Online-Partnervermittlung mit TÜV-Siegel, testete der TÜV mit seinem s@fershopping-Konzept die Sicherheit im Umgang mit Kundendaten, nicht qualitative Aspekte.
Seit einigen Jahren werden auch Lebensmittel vom TÜV geprüft. Das Vertrauen in das TÜV-Siegel dürfte hoch sein, immerhin gibt es den Technischen Überwachungsverein seit 130 Jahren. Obwohl von Unternehmern als unabhängiger Verein gegründet, agierte der TÜV de facto in einem geschützten Markt und mit Mitarbeitern, die beamtengleich besoldet wurden. Die Prüfer genossen einen hervorragenden Ruf, waren bei ihren Klienten aber als unerbittliche Nörgler verrufen. TÜV-Prüfer nervten Produzenten mit Sicherheitsvorschriften und Auflagen und ließen, wenn es hart auf hart kam, neu entwickelte Geräte eben nicht zu. Mit dem maroden Staatshaushalt und der einsetzenden Privatisierungswelle änderte sich die Stellung des TÜV schlagartig: Die neu gegründeten TÜV-Unternehmen mussten nun Gewinne erwirtschaften, Klienten wurden zu Kunden, von denen das Betriebsergebnis abhing. Der Markt rief, und der TÜV antwortete.
Zusammen mit der Technischen Universität München gründete der TÜV Süddeutschland die Firma Vitacert GmbH, die das Prüfzeichen »Lebensmittel TÜV geprüft« vergibt. Sie wirbt als neutrale Überwachungsstelle, die nach sichtbaren und sachkundigen Kontrollen für Klarheit und Transparenz in den Lebensmittelregalen sorgen will. Tatsächlich handelt es sich um ein Label mit überprüf- und nachweisbaren Merkmalen. Grundlage sind gesetzliche Vorgaben wie Lebensmittelhygieneverordnung, EU-Zertifizierungen oder DIN-Vorschriften. Die Dienstleistung unterstützt damit das Prinzip der »gläsernen Produktion« von Nahrungsmitteln im Sinne einer Prävention. Speziell in einem Punkt gehen die TÜV-Prüfkriterien über die gesetzlichen Maßgaben hinaus: Vitacert führte für Rindfleisch den genetischen Fingerabdruck ein, bei dem von allen Tieren DNA-Rückstellproben |298| im Geburts- oder Mastbetrieb genommen und in einer Datenbank gelagert werden. Von der Produktion bis zur Fleischtheke werden Stichproben genommen und gegen Rückstellproben auf ihre Identität hin geprüft, wodurch alle gesammelten Daten abgeglichen werden und alle Einzeltiere auch nach der Schlachtung und Zerlegung identifiziert werden können. Auch sind Leistungsförderer und Hormone in der Aufzucht der Tiere verboten.
Da verwundert es nicht, dass die Initiative von Vitacert massive Kritik vor allem bei der Konkurrenz erntete. Der Bundesfachausschuss »Lebensmittel und Bedarfsgegenstände« des Deutschen Verbandes Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP), dem immerhin 75 Prozent der in Deutschland niedergelassenen, akkreditierten und staatlich anerkannten privaten Lebensmittellabors angehören, bezeichnete das TÜV-Siegel als reine Marketingmaßnahme und unnötiges weiteres administratives Element – und hat nicht ganz Unrecht. Obwohl es in einigen Prüfkriterien über gesetzliche Vorschriften und über die Prüfkriterien des QS-Siegels hinausgeht, profitiert es in erster Linie von seinem hohen Bekanntheitsgrad. Auch der TÜV, wie er heute besteht, untersucht im Auftrag eines Herstellers, der für diese Leistungen bezahlt.
Herkunftssiegel mit Vertrauensbonus
Zwei Herkunftszeichen sind unter Mitsprache staatlicher Stellen entstanden: »Rindfleisch aus Rheinland-Pfalz« ist das eine, »Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein« das andere; sie sollen an dieser Stelle nur exemplarisch für die anderen Label stehen, die fast jedes Bundesland ins Leben gerufen hat, um die
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