Die Joghurt-Luege
richtet sich danach, welchem der 200 derzeit bekannten Stämme sie angehören. Nicht jeder Stamm kann alles, nicht für jeden Stamm ist eine Wirkung belegt. Manche verdrängen zahlenmäßig schädliche Keime im Darm, indem sie diesen die Nahrung streitig machen. Andere produzieren bakterizide Substanzen, wieder andere kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure als Nährstoffe für die Dickdarmschleimhaut und zur Erzeugung eines schwach sauren Milieus, in dem pathogene Organismen schlecht oder gar nicht gedeihen können. Besonders interessant ist auch diejenige Gruppe, die eine immunmodulierende Wirkung auf das mit dem Darm zusammenarbeitende Lymphgewebe ausübt. 15
Die Geschichte der Probiotika reicht weit in die Vergangenheit zurück. Der Nutzen fermentierter Milchprodukte war den Balkanvölkern schon vor Tausenden Jahren bekannt. Eine neue Blüte erlebte das Interesse an den gesunden (Milch-)Erzeugnissen mit der Arbeit des russischen Bakteriologen und Pasteur-Schülers Ilja Metschnikow am Anfang des 20. Jahrhunderts. Er hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, warum die Menschen im Kaukasus ein so stattliches Alter erreichen – und stellte fest, dass sie regelmäßig Sauermilchprodukte verzehrten. Seine Auffassung »Der Tod liegt im Darm« kurbelte die Forschung zum Thema Probiotika an, zumal bis heute keine bedenklichen Effekte beispielsweise von Lactobazillen und Bifidobakterien bekannt wurden. Sie gelten als so ungefährlich, dass die amerikanische |56| Food and Drug Administration sie als besonders sicher, als GRAS (generally recognized as safe) einstuft.
Hier ein kurzer Überblick über Belege für den Nutzen bestimmter Stämme: 16
1. Allergien
In den Industrienationen sind Allergien seit Jahren auf dem Vormarsch. In einer finnischen Studie mit 62 Müttern und ihren neugeborenen Kindern konnten die Forscher nachweisen, dass durch die tägliche Einnahme von Lactobacillus rhamnosus GG der Immunschutz der Muttermilch stieg, das Risiko einer Allergie sank.
2. Durchfälle
Gerade in Entwicklungsländern leiden Kleinkinder an Durchfällen, viele sterben daran. In einer Studie mit 204 unterernährten peruanischen Kindern im Alter von 6 bis 24 Monaten traten nach Gabe von Lactobacillus rhamnosus GG deutlich weniger Durchfälle auf. Bei durch Rotaviren verursachten Durchfällen im Säuglingsalter wirkten die Stämme L. rhamnosus GG, Bifidobacterium lactis sowie Lactobacillus reuteri SD 2222 prophylaktisch. Als effektiv bei der Behandlung und Prävention infektiöser Durchfälle im Kindesalter erwies sich auch Saccharoymces boulardii.
3. Andere Infektionen
Vaginalinfektionen und Infektionen des weiblichen Harntraktes sind relativ häufig. Normalerweise sorgt das schwach saure Milieu, das durch Milchsäurebakterien wie Lactobacillus jensenii oder L. iners entsteht, dafür, dass Krankheitserreger wie Escherichia coli, Proteus mirabilis oder Prevotella , aber auch Hefen wie Candida nicht die Überhand gewinnen. Vor der Pubertät und nach der Menopause finden sich entweder keine oder nur wenige Lactobazillen in der Vagina. Der ph-Wert steigt, Krankheitserreger setzen sich durch. In einer Studie nahmen 33 Frauen über ein Jahr entweder probiotischen Joghurt oder keinen Joghurt auf. Der |57| probiotische Joghurt enthielt Lactobacillus acidophillus LA-5, Streptococcus thermophilus CH-3 und L. bulgaricus CH-3. Bei den Joghurtesserinnen verringerte sich die Zahl der Infektionen um den Faktor 3. Aufgrund der Besserung ihrer Krankheitssymptome weigerten sich acht Frauen aus der Joghurtgruppe, in die Kontrollphase der Studie – ohne Joghurt – einzutreten.
Die Rückfallrate bei Colitis ulcerosa, jener entzündlichen Dickdarmerkrankung, die durch das Bakterium Escherichia coli Nissle 1917 mit verursacht wird, sinkt bei der Gabe des Probiotikagemischs VSL-3.
4. Antibiotikabehandlung
Durch die Behandlung mit einem Antibiotikum wird in der Regel die Magen-Darm-Flora abgetötet, notwendige Bakterien im Darm fehlen. Die im Joghurt enthaltenen probiotischen Kulturen ersetzen die fehlenden Bakterien, der Patient erholt sich schneller.
Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass Probiotika, während einer Antibiotikabehandlung verabreicht, prophylaktisch gegen durch das Antibiotikum hervorgerufenen Durchfall wirkt, insbesondere die Hefe Saccharomyces boulardii und verschiedene Lactobazillen.
5. Krebsprophylaxe
Vermutlich können Lactobazillen und Bifidobakterien die Mengen an bestimmten
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