Die Judas-Variante - V3
»Ich
weiß«, sagte sie schließlich. Sie klang plötzlich sehr erschöpft. »Es tut mir leid,
Skyler.«
»Es tut mir auch leid«, erwiderte er. »Es ist nie leicht, einen Kameraden zu verlieren.«
»Du darfst auch nicht vergessen, dass sie nicht unbedingt verloren sind«, fügte O'Hara hinzu.
»Solange sie noch leben, gibt es immer Hoffnung.«
»Dadurch wird es fast noch schlimmer«, sagte Anne. »Wenn sie tot wären, könnte man wenigstens
irgendwie damit abschließen. Aber so...« Sie schüttelte den Kopf. »Egal. Worauf es ankommt, ist,
dass fünf von ihnen frei sind. Ich sollte mich damit zufriedengeben.« Sie erhob sich. »Und
jetzt sollte ich Kanai dabei helfen, sie unterzubringen. Gute Nacht allerseits.«
»Gute Nacht«, sagte Skyler stellvertretend für alle.
Anne ging in den Flur hinaus, hielt dort inne, drehte sich um und schaute sie der Reihe nach
an.
»Vielen Dank auch«, sagte sie.
Dann machte sie wieder kehrt, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. »Manche Leute
sind eben nie zufrieden«, bemerkte Hawking.
»Du kannst mich auch auf diese Liste setzen«, sagte Skyler und ließ sich müde auf den Stuhl
fallen. Die Rettung hatte funktioniert, und zwar so, wie er sich es auch vorgestellt hatte. Er
müsste eigentlich zufrieden sein. Zum Teufel, er müsste schier in Ekstase geraten.
Aber er war alles andere als ekstatisch.
»Ich frage mich, wie Jensen seinen Abend wohl verbringt«, murmelte O'Hara.
Skyler verzog das Gesicht. Jensen. Noch ein Versagen, das er als Anführer auf seine Kappe nehmen
musste; nur dass dieses Versagen das Potenzial hatte, sich zu einem ausgewachsenen Desaster zu
entwickeln. »Damit befassen wir uns morgen«, sagte er.
»Flynn, hast du Trapper wohlbehalten abgesetzt?«
»Er war jedenfalls in Ordnung, als wir von hier aufgebrochen sind«, bestätigte Flynn. »Obwohl er
natürlich damit rechnen muss, dass die Sicherheit bei ihm aufkreuzt, und dann kann er nur hoffen,
dass sie ihm die Geschichte abkaufen, er sei mit vorgehaltenem Messer entführt worden.«
»Vielleicht können wir etwas für ihn tun, nachdem wir Jensen aufgespürt haben«, sagte Skyler.
Erst Dorfman, dann Jensen und jetzt Trapper. Dieser Plan zog wirklich immer weitere Kreise.
»Vorausgesetzt, die ganze Stadt ist nicht schon in Athena interniert«, murmelte Flynn.
»Wenn das der Fall ist, ließe sich daran auch nichts mehr ändern«, sagte O'Hara bestimmt. »Wir
sollten uns lieber darauf konzentrieren, was wir tun können, und nicht darauf, woran eh nichts
mehr zu ändern ist.« Er schaute Skyler an. »Diesen Rat sollte jeder von uns beherzigen«, fügte er
hinzu.
»Ich habe nie etwas Gegenteiliges behauptet«, erwiderte Skyler gleichmütig.
»Wann brechen wir also auf?«, fragte Hawking.
»Ich würde sagen, gegen Mittag«, antwortete Skyler. »Dann müssten wir am Nachmittag dort
sein.«
»Das dürfte aber etwas knapp werden, oder?«, fragte Hawking. »Wenn wir in Shelter Valley
eingetroffen sind, müssen wir immer noch zur Hintertür gelangen und den restlichen Weg bis zur
eigentlichen Basis zu Fuß zurücklegen.«
»Ich weiß«, sagte Skyler. »Aber Trapper sagte auch, nachmittags sei der Verkehr in diese Richtung
am stärksten.«
»Und selbst dann ist er nicht allzu stark«, sagte Flynn. »Wir könnten auch Trappers
Alternativroute benutzen, die sich um ein paar andere Kleinstädte schlängelt, bevor sie Shelter
Valley erreicht.«
»Dadurch werden die Bluthunde vielleicht unsere Spur verlieren«, stimmte O'Hara ihm zu. »Aber es
wird uns auch mehr Zeit kosten.«
»Vom Kommandanten wird eine Entscheidung erwartet, Skyler«, sagte Reger.
Skyler ließ den Blick durch den Raum schweifen und schaute aufs Fenster, das mit schweren
Vorhängen vor neugierigen Blicken geschützt war. »Wir schlafen erst noch mal drüber«, sagte er.
»Ich werde morgen eine endgültige Entscheidung treffen.« Er sah sie alle an und rechnete fast
schon mit Einwänden. Aber sie nickten alle nur zustimmend mit dem Kopf. »Dann gehen wir
schlafen«, sagte er. »Es war ein sehr langer Tag. Reger, noch mal vielen Dank für Ihre
Unterstützung.«
»Sie können mir Ihre Dankbarkeit erweisen, nachdem die Ryqril rausgeschmissen wurden«, sagte
Reger. »Bis dahin dürfen Sie gern anschreiben.« Er nickte den anderen zu und verließ den
Raum.
»Ein opportunistischer Hurensohn ist das, oder?«, merkte O'Hara an.
»Absolut«, pflichtete Hawking ihm bei. »Ich wünschte, wir
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