Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Judas Variante

Titel: Die Judas Variante Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
des Stützpunkt-Generators erfüllte den Raum. Das Summen übertönte alle
Geräusche, die vielleicht durch leise Schritte oder ein flaches Atmen verursacht worden
wären.
Jedoch hatte Caine alle von Lathes ermüdenden und manchmal - wie er damals geglaubt hatte - auch
sinnlosen Blinde-Kuh -Übungen absolviert. Folglich verfügte er über eine Sinneswahrnehmung,
von der seine Gefängniswärter wahrscheinlich keine Ahnung hatten. Da er praktisch blind und taub
war, konzentrierte er sich stattdessen auf Veränderungen der Luftströmung, die ihm übers Gesicht,
den Hals und die Hände strich. Da stand jemand am Ende der Koje.
Vorsichtig öffnete er die Augen einen Spalt weit.
Da stand ein großer Mann, kaum mehr als ein schwarzer Schatten vor dem schwachen Licht, das durch
die offene Zellentür hereinfiel. Für einen Moment stand der Mann nur da und machte sich am
Bettgestell zu schaffen. Dann drehte er leicht den Kopf, und Caine erkannte das Profil seines
Gesichts und die bizarre Silhouette, die ihm sagte, dass der Typ entweder eine Infrarot- oder
Restlichtverstärkerbrille trug.
Der Mann beendete die bisherige Verrichtung und ging zur anderen Seite des Raums. Als er sich von
der Koje entfernte und den Blick auf die Tür freigab, sah Caine, dass noch ein zweiter Mann im
Türrahmen stand. Das Fehlen sichtbarer Arme in seiner Silhouette war ein Indiz dafür, dass er
wahrscheinlich eine Pfeilpistole im beidhändigen Griff hielt und auf Caine gerichtet hatte.
Obwohl das Licht im Korridor zu trübe war, um klar konturierte Schatten zu werfen, nahm er im
indirekten Licht genügend Bewegungen wahr, um auf mindestens eine weitere Person außerhalb seines
Blickfelds zu schließen. Schlafen oder nicht, sie gingen keine Risiken mit ihrem Gefangenen
ein.
Der Eindringling erreichte den Sanitärbereich und blieb vor der Duschkabine stehen; und Caine
unterdrückte ein Lächeln, als er schließlich begriff, was hier vorging. Die Beobachter im
Kontrollraum hatten sich wahrscheinlich darüber geärgert, dass Caine zwei der drei Kameras
blockiert hatte, und wollten das im Schutz der Nacht wieder rückgängig machen.
Perfekt.
Denn Caine würde das morgen auch wieder rückgängig machen. Er musste nur eine Schamfrist
verstreichen lassen, bevor er die reaktivierten Kameras »entdeckte«, damit sie nicht auf den
Trichter kamen, dass er letzte Nacht wach gewesen war.
Und wenn sie glaubten, dass sie einmal reingeschlichen waren, ohne ihn aufzuwecken, würden sie es
vielleicht noch einmal versuchen.
Ja, sagte er sich. Das eröffnete ihm definitiv einen Handlungsspielraum.
Der Sicherheitsmann beendete seine Arbeit, verließ die Zelle und schloss die Tür lautlos hinter
sich.
Caine überdachte noch immer seine Optionen, als er wieder in den Schlaf abdriftete.

6
    Der Belüftungsschacht, den die Fackel genutzt hatte, um ihre Hintertür in Aegis Mountain zu
installieren, lag ein paar Kilometer nordwestlich von der Stelle, wo sie gelandet waren. Jensen
war sich ziemlich sicher, dass er sie finden würde, aber er war so schlau, nicht auf direktem Weg
dorthinzugehen. Falls es der Sicherheit oder den Ryqril doch noch gelang, sie gefangen zu nehmen,
sollte ihre Reiseroute nicht direkt auf das Ziel weisen. Stattdessen führte er Flynn in
westlicher Richtung und hielt sich zwei Bergketten nördlich des Highways, der an der Ryqril-Basis
vorbeilief. Dabei suchte er nach einer geeigneten Stelle, um nach Norden abzubiegen.
Etwa zwei Stunden vor der ersten Morgenröte fand er sie schließlich.
»Ist schon komisch«, sagte Flynn grummelig, als sie knöcheltief durchs eiskalte, schnell
fließende Wasser des Bachs wateten. »Ihr Survival-Experten sagt doch immer, dass fließendes
Wasser so gut geeignet sei, um Spuren zu verwischen. Aber ihr erwähnt leider nie, wie rutschig
diese Kiesbetten sind. Wie weit flussaufwärts wollen wir denn noch gehen?«
»Nicht sehr weit«, sagte Jensen und schaute nach rechts. Auf halber Strecke zum östlichen
Horizont erkannte er das schwache, blauviolette Gravitations-Licht einiger Flugzeuge, die am
Himmel kreuzten und eindeutig auf der Suche nach der Landezone des Abwurfs vom Vorabend waren. Er
hoffte, dass es sich nur um einen routinemäßigen Aufklärungsflug handelte und nicht etwa um ein
Anzeichen dafür, dass Skyler oder einer der anderen erwischt worden waren.
Er hoffte auch, dass sie nicht auf die Idee kämen, die Suche noch weiter nach Westen
auszudehnen.
»Wie weit ist nicht sehr weit

Weitere Kostenlose Bücher