Die Judas Variante
halten und warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
Haberdae ließ langsam den Blick über die Szene schweifen. »Sie sind derjenige, der diese Männer
hierhergebracht hat, Galway«, sagte er. Seine Stimme war kontrolliert, beinahe ruhig, aber es
schwang Mordlust mit. »Sie sind derjenige, der sie auf meine Stadt und meine Welt losgelassen
hat.«
»Sie sind nicht los, Präfekt«, sagte Galway, wobei es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief.
Haberdae wollte ein Menschenopfer... und Galway war das wahrscheinlichste Opfer. »Judas ist doch
bei ihnen. Sie sind unter Kontrolle.«
»Acht meiner Männer sind gerade gestorben«, rief Haberdae ihm in Erinnerung - mit einem
prononcierteren blutrünstigen Unterton. »Wollen Sie das etwa als unter Kontrolle sein bezeichnen?«
»Wir haben sie zu stark bedrängt, und wir haben den Preis dafür gezahlt«, sagte Galway und
kämpfte wieder gegen den Drang an, Haberdae unter die Nase zu reiben, dass dieses Desaster nur
seiner Unüberlegtheit zu verdanken war. »Wir können im Moment nicht mehr tun, als dafür zu
sorgen, dass der Tod dieser Leute letzten Endes doch noch einen Sinn hat.«
Haberdae schnaubte. »Um den Blackcollars vielleicht zu beweisen, wie unfehlbar sie sind?«
»Damit die Sache doch noch zum Erfolg führt«, entgegnete Galway, nun auch mit einer Aufwallung
von Zorn. Er hatte allmählich genug von Haberdaes Attitüde. Von all seinen Attitüden. »Wir
haben einen Versuch unternommen, sie zu fangen - womit Lathe im weiteren Verlauf sowieso
gerechnet hätte. Dann ziehen wir uns also jetzt zurück, als ob wir unsere Wunden lecken wollten,
und geben ihm freie Hand, den Angriff auf Khorstron zu planen.«
»Es sei denn, Shaw besteht nach wie vor darauf, die Veranstaltung zu leiten«, gab Haberdae zu
bedenken. »In diesem Fall wären wir wieder genau da, wo wir angefangen haben.«
»Das werden wir bald wissen«, sagte Galway.
»Und selbst wenn Shaw den Oberbefehl anstrebt, muss er doch so klug sein, um zu erkennen, dass er
nun an einem richtigen Krieg teilnimmt. Und im Krieg gibt es keinen Platz für kindische
Rivalitäten.«
Haberdae schaute ihn von der Seite an. »So wie unsere?«
Galway schnitt eine Grimasse. »Das habe ich damit nicht sagen wollen.«
»Nein, natürlich nicht.« Haberdae warf einen Blick auf den Parkplatz. »Sie können das meinetwegen
kindisch nennen, Galway. Aber ich bin derjenige, der für die Vorkommnisse auf Khala
verantwortlich ist. Nicht die Ryqril, und schon gar nicht Sie. Es waren meine Männer, die
heute Abend hier gestorben sind... und irgendjemand wird dafür bezahlen.«
Galway schauderte. »Es bleibt Ihnen ungenommen, das so zu sehen«, sagte er. »Passen Sie aber auf,
dass Sie sich dabei innerhalb der Richtlinien des Plans bewegen.«
»Ach, machen Sie sich da mal keine Sorgen«, sagte Haberdae unwirsch. »Ich würde doch nie etwas
tun, um den Plan zu gefährden. Sind Sie jetzt hier fertig?«
»Ja«, sagte Galway. Im Grunde war er schon seit ein paar Minuten fertig. »Wir sollten ins
Krankenhaus fahren und mit den Verwundeten sprechen, die vernehmungsfähig sind.«
»Übernehmen Sie das«, sagte Haberdae. »Ich muss mich zuerst noch um ein paar andere Dinge
kümmern.« Dann wandte er sich ab und ging auf die paar Fahrzeuge zu, die hinter ihnen geparkt
waren.
»Schön«, murmelte Galway leise vor sich hin und schaute dem anderen nach. »Dann sehen wir uns
eben später.«
Caines Frühstück war früh gebracht worden, obwohl er gestern Abend erst spät in seiner neuen
Unterkunft eingetroffen war. Im Gegensatz zur heimlichen Stippvisite um Mitternacht wurde dieser
Besuch jedoch von der kompletten Geräuschkulisse untermalt, wie man sie im normalen
Gefängnisalltag auch erwarten würde.
Erst nachdem er die Müsliriegel verzehrt, den Tee getrunken und unauffällig die Kameras zu
inspizieren vermocht hatte, wurde er sich bewusst, dass er die Gegenseite doch unterschätzt
hatte. Anstatt die feuchten Papierschnipsel, mit denen Caine sie geblendet hatte, einfach - und
offensichtlich - zu entfernen, hatten sie das Papier durch etwas ersetzt, das fast genauso
aussah, aber auf irgendeine Art und Weise behandelt worden war, sodass es praktisch transparent
war.
Er hatte den Tag wieder damit verbracht, an der Tür zu lauschen, und so getan, als ob er am
Schloss herumfummeln würde; dabei hatte er sich die ganze Zeit gefragt, wie er auf ihren kleinen
Gegensabotage-Schachzug reagieren sollte. Und als der Abend
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