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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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hatte die Fähigkeit verloren, die Welt mit Hilfe des Verstandes und der Gefühle zu beurteilen. Darüber hinaus verloren die Dinge der Welt – die Dinge, die dieser so wichtig waren –, ihren Einfluss auf ihn. Mit der Entfernung dieser Fesseln nahm er wahr, dass Besitz – über den Menschen so erbittert stritten – keine Bedeutung hatte. Auch die Sehnsucht nach einem hohen gesellschaftlichen Status ließ nach.
    Die Rolle, die er im Leben einnahm – die Zehntausende kleinen Weisen, mit denen er versuchte, sich über andere zu erheben –, fiel von ihm ab. Während er auf den spirituellen Wassern zu wandeln begann, entledigte er sich dieser schlecht sitzenden Kleider, um zu verhindern, dass er unterging. Folglich nahm Jussef mit spirituellen Augen wahr, was er mit menschlichen gesehen hatte – dass jeder Mensch, der Gott suchte, mit leichtem Gepäck reisen musste. Und belastet von menschlichen Bindungen und Sehnsüchten zu reisen war Torheit. Der Mensch würde im tiefen Meer versinken, Futter für den Leviathan. So war es auch dem heiligen Petrus ergangen. Als er aus dem Boot trat und bekleidet auf den Wassern wandeln wollte (das heißt, behindert von menschlichen Bindungen und Sehnsüchten), begann er zu versinken.
    Während Jussef über das Wasser wandelte, geführt von einer geheimnisvollen Hand, erkannte er die spirituelle Verfassung der Menschen. Seine Wahrnehmung war die eines Arztes. So wie eine menschliche Krankheit den menschlichen Leib einer Person beeinträchtigte, so beeinträchtigte eine spirituelle Krankheit ihren spirituellen Leib. Der menschliche Geist war nicht imstande, das zu analysieren, doch das Herz konnte es, und zwar mühelos. Jussef sah die Natur und das Ausmaß des menschlichen Leids. Manche Körper wurden spirituell gepeinigt von Gier, Zorn, Wollust oder Hass. Diese Krankheiten waren ebenso deutlich wie Farben und unterschieden sich in den einzelnen Menschen hinsichtlich Intensität und Ausmaß. Während die Zusammensetzung dieser Krankheit einzigartig war, war die wesentliche Komponente jedes spirituellen Leidens gleich – das Böse. So wie jeder Mensch ein Rückgrat besaß, so lag in seinen Geist eingebettet die Schlange des Bösen. Doch sie zu entfernen, indem man sie herausriss, würde den Wirt vernichten, denn der menschliche und der spirituelle Leib waren enger miteinander verbunden als ein Mann und eine Frau im Koitus. Als Jussef diese Szene gewahrte, war auch für ihn klar, dass der spirituelle Zustand einer Person sich auf den menschlichen auswirken konnte. In manchen Fällen war dies offensichtlich. Ein gieriger Mensch ist nie zufrieden, so viel er auch besitzt. Er bringt sein ganzes Leben damit zu, darüber nachzudenken, wie er mehr besitzen könnte. Weiß er nicht, dass er – dadurch – seinen Geist schwächt? Und dass ein schwacher Geisteszustand es dem Bösen ermöglicht, in den menschlichen Leib einzusickern? Weil das Böse ein Gift ist, zerstört ein solcher Mensch nach und nach sein Selbst.
    Während er auf dem Wasser wandelte, wurde Jussef leichter, und das Totgewicht seines Körpers fiel von ihm ab. Er wusste, dass er menschlich gewesen war, jetzt war er mehr Geist als Mensch. Auch etwas anderes fiel von ihm ab. Die Zeit. Sein Gefühl der menschlichen Zeit – dass er von der Zeit kontrolliert wurde, die Macht über ihn hatte – fiel von ihm ab. Als er in das Meer hinabschaute, in die Welt, flackerten die Lebensläufe von Männern und Frauen an ihm vorbei wie ein Lichtstrahl. Dann sausten ganze Jahrhunderte an ihm vorüber. Die Zeit war ein Instrument, durch das das menschliche und das spirituelle Element einer Person getrennt wurden. Ohne die Zeit konnten sich beide wieder vereinigen. Ah, diese Freude! Die unvergleichliche Leichtigkeit des spirituellen Seins!
    Jussef blickte hinunter auf die Welt und lachte. Er erkannte, dass Gott in der Natur das Heilmittel gegen jede Krankheit verborgen hatte. Und dass Gott in der spirituellen Welt das Heilmittel gegen jede spirituelle Krankheit verborgen hatte. Doch der Mensch musste danach suchen. Wenn er suchte, fand er. Aber wie? Wie konnte ein Mensch seine spirituellen Krankheiten heilen? Wenn ein gieriger Mensch aufhörte, gierig zu sein, würde er sich dann nicht heilen? Und würde sich das nicht günstig auswirken auf seine beiden Leiber – den menschlichen und den spirituellen? Wenn ein Mensch die Innenseite des Bechers reinigte – sich spirituell reinigte –, würde dies nicht durch die Außenseite

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