Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
des Bechers hindurch in seinen menschlichen Leib übergehen? Und würde eine Frau, die in ihrem Haus eine wertvolle Münze suchte, diese nicht wiederfinden? Das heißt, wenn eine Person in sich selbst nach ihrer verlorenen Spiritualität suchte, würde sie diese dann nicht wiederentdecken? Und wenn das menschliche und das spirituelle Element einer Person wieder vereinigt waren, wären sie dann nicht vermählt? Wer sagte denn, dass es keine Hochzeit geben würde?
»Josua!«, rief Jussef aus. Er wusste, wer dieser mysteriöse Führer war.
Je weiter Jussef ging, desto ruhiger wurden die Wasser. Bald waren sie glatt wie Glas. Als der heilige Petrus den
auferstandenen
Christus am Strand erkannt hatte, legte er seine Kleidung ab und sprang von seinem Boot ins Wasser der Welt. Kein Leid war ihm geschehen, und er war ans Ufer geschwommen. Aber Petrus war doch ein Symbol der Kirche, oder? Als die Kirche mit den Dingen der Welt belastet war, geriet ihre Spiritualität in Verwirrung, und sie begann unterzugehen. Als die Kirche sich von den weltlichen Dingen befreit hatte, übte das Böse keinen Einfluss mehr auf sie aus. Während er dies träumte, sah Jussef einen Mann auf dem Wasser gehen.
»Wohin gehen Sie?« rief er Papst Johannes XXVI . entgegen.
»Zum Tanz!«, erklang die gerufene Antwort.
Ja! Dorthin ging er auch. Auf der Hochzeit würden alle Menschen tanzen, denn die Engel brachten den göttlichen Wein, der sie für immer trunken machen würde. Und wie sie tanzen würden! Als Jussef dies wahrnahm, dachte er zugleich: Als ich auf der Erde war – warum habe ich mich mit so vielen törichten Dingen belastet? Warum habe ich mich zu Tode gesorgt? Warum habe ich mich in menschliche Kleider gehüllt, obwohl der Tanz spirituelle erforderte? Unbelastet lief Jussef über die Wasser. Menschlich und spirituell begann er zu tanzen – dabei war ihm bewusst: Je länger er tanzte, desto leichter würde er werden. Doch wer würde mit ihm tanzen? Wer würde seine spirituelle Energie mit der seinen vereinen? Er streckte die Arme aus und tanzte. Zunächst tanzte er allein. Dann spürte er, wie sich jemand bei ihm einhakte. Es war Josua, da war Jussef sich sicher. Noch jemand kam hinzu. Theodore hatte sich auf der anderen Seite bei ihm eingehakt. Ein weiterer Partner schloss sich ihnen an: der Papst. Der Tanz der vier gekreuzigten Männer – denn die Kreuzigung war auch ein Tanz. Während sie sich erst zur einen Seite, dann zur anderen neigten, so wie die Männer auf einer jüdischen Hochzeit tanzen, steigerte sich das Tempo. Jussef blickte gen Himmel.
Da sah er sie! So wie Menschen tanzen, so tanzen auch Engel. Droben am Himmel tanzten die Sterne, die Engel bewegten sich in Harmonie. Es war eine Szene von unbeschreiblicher Schönheit, die Jussef da betrachtete, während er auch an ihr teilnahm. Seine Schritte wurden leichter. Wie ein Vogel erhob er sich aus den Wassern und begann zu fliegen.
Jussef erwachte. Er befand sich in der Höhle. Er blickte hinüber zu seinem Freund, der die stark geschwollenen Augen geöffnet hatte. Josua lächelte. Jussef erwiderte das Lächeln. Er hatte seinen Schüler einen menschlichen Berg hinaufgetragen, sein Schüler hatte ihn einen spirituellen hinaufgetragen.
34
… sollen sie nun essen von der Frucht ihres Tuns und
von ihren Plänen sich sättigen.
Sprüche 1,31
D er italienische Ministerpräsident saß in der Badewanne, in der ein Mann und zwei Frauen Platz hatten. Er befand sich in seinen Privaträumen im fünften Stock des Präsidentenpalasts, da er keine Zeit hatte, in seine Wohnung im teuersten Viertel Roms zurückzukehren, und seine Bodyguards davon abrieten, sich dorthin zu begeben. Die Straßen von Rom seien zu gefährlich, sagten sie. Martinelli versuchte verzweifelt Schlaf zu finden, aber das würde ihm nur gelingen, wenn er vorher ein Bad nahm. Er ließ das Wasser durch die Finger rinnen.
Eitel …
Noch vor einigen Wochen hatte er einen Sohn und eine Frau, doch sie waren gestorben. Noch vor einigen Wochen war er der Chef eines bedeutenden Medienkonzerns, doch jetzt zerfiel dieser wie alle italienischen Unternehmen vor seinen Augen, denn niemand in seinem Land arbeitete mehr; die Menschen kämpften ums Überleben. Sicher, er war immer noch Ministerpräsident, aber die Bevölkerung befand sich in einer extremen Notlage. Und ein Volk in einer extremen Notlage hörte kaum noch auf Befehle – kamen sie nun vom Militär, von der Polizei oder dem
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