Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
stehen Worte darin, die den menschlichen Geist verwirren, aber für das menschliche Herz zeigt es den Weg zu Gott.«
Theodore blickte sich in der kleinen Kirche um, die vor eintausendfünfhundert Jahren erbaut worden war. Er zeigte nach oben und sagte: »Du siehst den Himmel.« Er zeigte nach unten und sagte. »Du siehst die Erde. So ist es in dieser Welt. Aber selbst der Himmel verbirgt geheimnisvolle Dinge, und auch die Erde versteckt unbekannte Dinge. In dieser Welt kennt sich niemand selbst; doch jeder Mensch versucht sich zu entdecken. Wenn ein Mensch wahrhaft versteht, dass er aus dreierlei besteht – Körper, Geist und Seele –, wird er frei. Mehr noch: Er versteht das Universum.«
Der alte Mönch machte eine Pause. Er hatte fast sein ganzes Leben in dem Kloster verbracht. Bald würde er heimkehren.
»In diesem Leben, Josua, ist alles Verwirrung, denn ein Mensch geht auf dieser Erde gleichzeitig zwei Wege, unternimmt zwei Reisen. Die menschliche Reise kann er sehen. Die spirituelle Reise nicht. Doch all seine Handlungen auf Erden haben Folgen – in der menschlichen und der spirituellen Dimension.«
»Jeder Mensch kehrt zu Gott zurück.«
»Ja, aber mit welcher Geschwindigkeit er zu Gott zurückkehrt, das liegt an ihm. Manche Menschen verbringen ihr Leben, ohne dass sie sich der spirituellen Dimension bewusst sind, oder sie behaupten, dass sie nicht existiere. Andere haben, am Ende ihres Lebens, nicht nur ihre menschliche Reise vollendet, sondern auch ihre spirituelle. Ja, manche gehen, manche laufen und manche fliegen.«
»Und ich? Was soll ich tun?«
»Entscheide, ob du die spirituelle Reise in diesem Leben antreten möchtest oder nicht. Ich kann nicht für dich entscheiden.« Der Mönch reichte seinem Jünger die Bibel. »Meditiere eine Woche lang über das, was ich dir gesagt habe. Komm nur dann zu mir zurück, wenn du die Reise machen möchtest.«
Der Mönch stand auf und begab sich zum Altarraum. Im Nu war er verschwunden.
* * *
»Was hat er dir gesagt?«
Das Frühstück war zu Ende, Jussef hatte seinem Schüler unweit des Haupttors des Klosters aufgelauert, wo Josua zusah, wie die Busse aufs Gelände gebraust kamen. Jussef wollte unbedingt wissen, was der Mönch gesagt hatte. Nicht, dass der recht haben würde, natürlich nicht, aber es wäre doch interessant, mal seine Meinung zu hören.
Josua wiederholte ihm die Interpretation des Mönchs, inwiefern der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen sei.
Als er das hörte, verstummte Jussef. Schließlich sagte er: »Was sonst noch?«
Josua klappte die Bibel auf und zeigte auf die Stelle, die der Mönch mit zittriger Hand unterstrichen hatte. Der Priester las. Er hatte diese Erzählung aus dem Johannes-Evangelium wohl hundertmal gelesen, mindestens. Es ging darin um das erste Wunder, das Christus vollbracht hat.
Es wurde eine Hochzeit gefeiert, zu der Christus und seine Jünger eingeladen worden waren. Während der Festlichkeiten geschah ein Unglück – der Wein ging aus. Die Mutter Christi sagte zu ihrem Sohn: »Die Gäste haben keinen Wein mehr.« Er antwortete: »Was habe ich damit zu tun. Meine Zeit ist noch nicht gekommen.« Im Festsaal standen Tonkrüge von der Art, wie man sie für rituelle Waschungen verwendete, und auf die Bitte von Christus’ Mutter füllten die Diener sie mit Wasser. Daraufhin befahl Christus ihnen, aus den Krügen zu schöpfen und das Wasser zum Küchenchef zu bringen. Es hatte sich in Wein verwandelt. Der Küchenchef wusste nicht, woher der neue Wein gekommen war, aber die Diener wussten es. Da nahm der Küchenchef den Bräutigam beiseite und erklärte: »Du hast den besten Wein bis zum Schluss aufgehoben.«
Eine Hochzeit. Wasser, das zu einer rituellen Reinigung verwendet wird. Die Bitte einer Mutter. Diener. Die Verwandlung von Wasser in Wein.
12
… denn sie reden nur, tun aber selbst nicht, was sie sagen.
Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie
den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen
Finger rühren, um die Lasten zu tragen.
Matthäus 23,3,4
D er Zusammenbruch des Bankensystems versetzte dem Haus der Menschheit einen weiteren Schlag. Einige Jahre zuvor hatte es eine Reihe von kleineren Zusammenbrüchen gegeben: Runs auf verschiedene Banken in Europa und den USA . Widerstrebend waren die Regierungen eingesprungen und hatten für die Verluste der Banken mit dem Geld des Steuerzahlers gebürgt. Jedes Mal war das System wieder aufgepäppelt worden. Die jetzige
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