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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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dem Willen Gottes gehorchen. Und der Wille Gottes konnte nur durch strikten Gehorsam gegenüber der Kirche und dem Vatikan erkannt werden. Niemand war davon ausgenommen. Nicht einmal der Papst.
    In vielerlei Hinsicht ähnelten sich Rienzi und Johannes  XXVI . Beide hatten ihr Leben der Kirche gewidmet, beide waren durch Verdienste aufgestiegen. Doch es gab einen großen Unterschied. Johannes  XXVI . hatte jahrelang in einem chinesischen Konzentrationslager gelitten, während Rienzi in den besten theologischen Instituten forschte. Leid – der eine besaß praktische Erfahrung darin, der andere las darüber in Büchern. War das wichtig? Sicherlich nicht. Der Weg des Kreuzes war ein verstandesmäßiger Pfad. Christus hat doch nicht andere eingeladen, sich kreuzigen zu lassen, so wie er, oder? Das wäre ja so furchtbar, dass man überhaupt nicht darüber nachdenken will.
    Rienzi war nicht nur ein angesehener, sondern auch ein gut anzusehender Theologe. Silberhaarig, mit blauen Augen und einer Figur, die trotz seiner fünfundsechzig Jahre noch straff war, wäre er als Papst fotogen gewesen – während der aktuelle Papst diese Qualitäten nicht besaß, denn er war dunkelhaarig, dünn und näselte. Aber das Aussehen des Kirchenoberhauptes spielte doch wohl keine Rolle, so wie es keine Rolle spielte, wie die Apostel aussahen. Trotzdem war es hilfreich, wenn der Papst gut
aussah
, denn in der heutigen Zeit legte man großen Wert auf die äußere Erscheinung, was der Kirche durchaus bewusst war. Im Grunde war der Papst eine Ikone – eine Medienpersönlichkeit –, jedenfalls bis zu einem gewissen Grade.
    Trotz all seiner verlässlichen Eigenschaften hatte Johannes  XXVI . Rienzi jedoch nicht auf einen hohen Posten in der vatikanischen Hierarchie berufen. Viele Kardinäle hielten das für einen Fehler, da sich Rienzi in der Vergangenheit zahlreiche Verdienste erworben hatte und sich in dem System gut auskannte. Aber dieser chinesische Papst war ein seltsamer Mann. Geliebt von den Menschen, bescheiden und von eindeutiger Integrität, jedoch unfähig zu erkennen, dass man in der Administration der Kirche durchaus wusste, was man tat. Ob Rienzi enttäuscht war, weil er nicht in den Kreis der engsten Vertrauten des Papstes berufen wurde, war nicht bekannt, da er sich mit keinem Wort dazu äußerte. Dennoch blieb er weiter einflussreich, und viele Kardinäle hielten große Stücke auf ihn. Er gehörte zur kirchlichen Elite.
    »Es ist an der Zeit zu handeln.«
    Rienzi und vier weitere Kardinäle saßen auf bequemen Stühlen im Olivenhain. Niemand sonst war in der Nähe. Dafür hatte Rienzis Neffe gesorgt. Sie hatten eine kluge Wahl getroffen, denn in letzter Zeit wurde im Vatikan besonders viel geklatscht, und hätten sie versucht, dort ein Treffen abzuhalten (selbst an einem geheimen Ort), so wäre das bald durchgesickert. Nicht, dass Johannes  XXVI . versucht hätte, diesen Ort ausfindig zu machen; er war ein Unschuldslamm in derlei Dingen. Außerdem war er ein guter Mensch – vielleicht sogar ein Heiliger. Aber darum ging es nicht. Die Welt steckte in einer Krise, und der springende Punkt war, ob die Kirche richtig darauf reagierte.
    »Die Wasserkrise wird vorübergehen«, sagte ein Kardinal, »und die Hungersnot auch. Alle Krisen gehen vorüber – doch wie steht am Ende die Kirche da? Bankrott. Wir haben unser Gold und Silber weggegeben, unser Land, unsere Bücher und Gemälde, unseren Kirchenschmuck, doch dies hat den Katastrophen keinen Einhalt geboten. Ich sage Ihnen, es reicht. Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber es bringt nichts.«
    Die anderen Kardinäle nickten. Die Kirche hatte rund dreißig Prozent ihrer weltweiten Besitztümer veräußert, aber Papst Johannes  XXVI . verlangte mehr.
    »Sprechen Sie mit ihm!«
    »Ich habe es versucht.« Kardinal Rienzi nippte am Rotwein, den sein Neffe freundlicherweise bereitgestellt hatte. »Er will mir einfach nicht zuhören.«
    »Ich weiß nicht. Ich vermute, er glaubt, wir kommen ans Ende der Welt.«
    »Was für ein ausgemachter Blödsinn!«, rief Kardinal Aristo aus Bologna. Er strich seine dicke rote Robe glatt, die sich im Oktoberwind leicht gebauscht hatte. »Die Welt geht nicht unter. So läuft das nicht.«
    Rienzi lächelte. »Wie läuft es denn?«
    »Christus wird zurückkehren, das steht fest. Aber wie und wann, das weiß niemand. Und zu was soll er dann zurückkehren? Zu einer Kirche ohne Gebäude, ohne Reichtum, ohne Einfluss? Das dürfte ihm kaum

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