Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
Die Unterredung darf
nicht
in Euren Räumen stattfinden.«
Am liebsten hätte der Papst gelächelt. Seine Vermutung traf also zu. Die italienische Regierung hörte die päpstlichen Gemächer ab. Und andere Regierungen?
»Wäre der Heilige Vater bereit, den Vatikan zu verlassen, um mit ihm zusammenzutreffen?«
»Nein.« Das wäre zu gefährlich. »Wie wäre es mit meiner Privatkapelle?«
»Hm, das könnte vielleicht zu …«
»Ich gehe dann anderswo mit ihm hin.« Seine Kapelle wurde also ebenfalls abgehört. Hieß das, dass sein Treffen mit Josua bekannt geworden war?
Die Stunden verstrichen. Abends um elf wurde der Ministerpräsident in die päpstliche Kapelle gebeten. Signore Martinelli war dünner als vor drei Wochen. Wegen der Krise arbeitete er rund um die Uhr. Er konnte nicht mehr ausgiebig in seinem Lieblingsrestaurant zu Mittag speisen und hatte auch keine Zeit mehr für dieses Prachtweib Caterina. (Seine aktuelle Freundin war dreißig, er fünfundsechzig, aber junges Fleisch ist ja so zart.) Wegen seiner Angst vor der drohenden Epidemie hatte Martinelli sie aus Rom fortgeschickt. Er hatte sich standhaft geweigert, ihr die Gründe zu nennen, hatte das Dessousmodel (Berufswunsch: Schauspielerin) aber aufgefordert, den Alfa Romeo (sein Geschenk) vollzuladen und die Hauptstadt in Begleitung zweier seiner Bodyguards zu verlassen. Sie sollten zu einer Villa in Bari fahren, die Martinelli vor Jahren gekauft hatte. Sie war sein Liebesnest. Natürlich wusste seine Frau nichts von der Villa. Aber was seine Frau nicht wusste, machte ihr Herz nicht schwer. Frauen waren eben so, gutgläubig.
»Vielen Dank, dass Ihr mich empfangt, Heiliger Vater! Es ist wundervoll, Euch zu sehen, wie immer. Meine Frau ist ganz neidisch.«
Der Ministerpräsident nahm neben dem Papst in der kleinen Kapelle Platz und strich die Krawatte glatt. Sie trafen erst zum fünften oder sechsten Mal zusammen. Beim ersten Treffen war Johannes XXVI . kurz zuvor Papst geworden. Die anderen Anlässe waren recht formell verlaufen, weil Martinelli offen mit seinem Atheismus und seinem Missfallen an religiösen Praktiken geprahlt hatte. Heutzutage könnten Intellektuelle solchen »Hokuspokus« nicht mehr brauchen – Religion sei etwas für schlichte Gemüter.
»Ich möchte Euch ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung schenken. Ein Buch mit meinen politischen Schriften. Ich habe es« – Martinellis Stimme nahm einen fast schmeichlerischen Ton an – »signiert.«
Johannes XXVI . nahm das Buch und legte es auf den Sitz neben sich. Ein Werk über ein vergeudetes Leben. Ihm war klar, was Martinelli war: ein Schwindler.
»In welcher Angelegenheit wollen Sie mich sprechen?«
Der Präsident war verdutzt. Hatte der Kardinal (ein alter Freund) dem Papst nicht genügend Hinweise gegeben? Sie konnten hier keinesfalls miteinander reden. Er wollte dem Papst gerade etwas zuflüstern, als der ihn unterbrach.
»Wird meine Kapelle von Ihrer Regierung abgehört?«
Signore Martinelli wurde puterrot. Also, die Frage war nun wirklich zu unfein!
»Nicht von mir«, flüsterte er. »Vielleicht von unserem Geheimdienst. Er behält alle im Auge.«
»Und andere Regierungen?«
»Nun, äh, das kann sein.« Der Präsident rang sich ein verstohlenes Nicken ab. Heutzutage hörte jede wichtige Person jede andere wichtige Person ab – es war der einzige Weg, die Wahrheit zu entdecken. In was für einer Welt lebte der Papst eigentlich?
Johannes XXVI . schüttelte betrübt den Kopf und bedeutete dem Präsidenten, ihm zu folgen. Er ging mit seinem Besucher zu seiner Bibliothek, dirigierte ihn hindurch und in einen Alkoven. Dann die Treppe hinunter, die hinter dem Gemälde eines seiner Amtsvorgänger begann. Der Präsident war ungeheuer beeindruckt. Aha, der Papst besaß also auch einen Fluchtweg! Sehr klug. Der war fast so gut wie seiner im Präsidentenpalast. Man wusste ja nie, wann der politische Gegner anklopfte. Sie stiegen die Treppe hinunter, vorbei an den römischen Grabstätten, die unter dem Hochaltar des Petersdoms lagen. Schließlich blieben sie an einer roten Backsteinwand stehen. Vor ihnen befand sich die Grabstätte des heiligen Petrus – der einzige Ort auf Erden, der Satan und seinen Engeln verwehrt war. Hier nun wollte der Papst die Wahrheit erfahren, auch wenn sie von einem bösen Menschen stammte.
»Erzählen Sie, was Sie zu sagen haben!«
Martinelli trat von einem Fuß auf den anderen, strich immer wieder seine grün gepunktete Krawatte
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