Die Juedin von Toledo
Aber gerade das durfte nicht sein. Die Maus im Beutel, die Schlange im Wams,der Zunder im Ärmel, klangen ihm die Worte des Heiligen Vaters nach. Er durfte sich den Juden nicht zu nahekommen lassen; es war Sünde, es war zwiefache Sünde jetzt im Heiligen Krieg.
»Nimm uns nicht die Rechte, die wir seit hundert Jahren haben«, beschwor ihn Jehuda. »Gib nicht deine treuesten Untertanen in die Hand ihres Feindes. Wir sind dein Eigentum, nicht des Erzbischofs. Laß mich deinen Saladins-Zehnten eintreiben, Herr König!«
Die Worte Jehudas rührten Alfonso an. Aber der sie sprach, war ein Ungläubiger, und hinter dem, der ihn gewarnt hatte, stand die Kirche. »Ich werde deine Gründe erwägen, Don Jehuda«, sagte er schwunglos.
Jehudas Gesicht erlosch. Wenn er den Mann jetzt nicht überzeugt hatte, wird er’s niemals vermögen. Gott hatte seinen Worten die Gnade versagt. Er, Jehuda, hatte versagt.
Alfonso sah die ungeheure Enttäuschung des Juden. Dieser Ibn Esra hatte ihm Dienste geleistet wie kein zweiter. Es war ihm leid, daß er ihn gekränkt hatte.
»Glaube nicht«, sagte er, »daß ich deine Dienste unterschätze. Du hast meinen Auftrag wohl erfüllt, Don Jehuda.« Und, mit Wärme, fügte er hinzu: »Ich werde meine Herren einladen, mit anzuschauen, wie du mir den Handschuh zurückgibst zum Zeichen wohlerfüllten Auftrags.«
Auch Doña Leonor war unsicher, ob man die Eintreibung des Saladins-Zehnten der Juden dem Erzbischof überlassen solle. Als Königin wollte sie das wichtige Kronrecht nicht preisgeben. Als Christin fühlte sie sich in Sünde, da sie aus der fragwürdigen Neutralität des Reiches Vorteil zog, und wollte die Mahnung des Erzbischofs nicht mißachten. Ihre peinvolle Schwangerschaft vermehrte ihre Zweifel. Sie konnte ihrem Alfonso keinen Rat geben.
Er suchte nach einem Fingerzeig Gottes. Beschloß, die Entbindung Doña Leonors abzuwarten. Sollte sie ihm einen Knaben gebären, so war das ein Zeichen. Er wird dann denSaladins-Zehnten für den Kronschatz einziehen lassen; denn er war nicht berechtigt, das Erbe seines Sohnes zu verkürzen.
Vorläufig ehrte er seinen Escrivano, wie er’s versprochen hatte. In großer Versammlung durfte ihm Jehuda den Handschuh des ritterlichen Auftrags zurückgeben, und Alfonso nahm mit nackter Hand die nackte Hand seines Vasallen, dankte ihm mit gnädigen Worten, umarmte ihn und küßte ihn auf die Wangen.
Der Erzbischof war heiß erzürnt. Seine priesterliche Warnung hatte die Luft erschüttert, der Sendling des Antichrists umgarnte den König enger und enger. Allein Don Martín war gewillt, sich dieses Mal den Sieg der Kirche über die Synagoge nicht entreißen zu lassen. Er beschloß, auch vor widerwärtigen Mitteln nicht zurückzuscheuen und List mit List zu bekämpfen.
Nichts liege ihm ferner, stellte er dem König vor, als mit ihm um Geld zu hadern. Des zum Beweis mache er ihm einen Vorschlag, den er vor dem Heiligen Stuhl nur mit schwerer Mühe verteidigen könne. Darauf bauend, daß Don Alfonso den Saladins-Zehnten lediglich für die Rüstung verwenden werde, überlasse er ihm die Verfügung über die Gelder. Sich selber und der Kirche behalte er nur das Recht vor, den Zehnten einzutreiben; die einkommenden Beträge werde er sogleich dem Kronschatz überweisen.
Don Alfonso sah dem treuherzig schlauen Gesichte des Freundes an, wie schwer ihm ein solches Kompromiß fiel. Er selber war sich klar darüber, daß es um das Prinzip ging, und er erwiderte: »Ich weiß, daß du mein Bestes willst. Aber mir scheint, auch mein Escrivano ist ehrlich, wenn er mich mahnt, ein wichtiges Recht meiner Krone nicht aufzugeben.«
Don Martín grollte: »Wieder der Ungläubige! Der Verräter!«
»Er ist kein Verräter«, verteidigte Alfonso seinen Minister. »Er wird aus seinen Juden den Zehnten bis zum letzten Sueldo herausholen. Er hat mir bereits aus diesem Zehnten fürunsern Kreuzzug eine riesige Summe versprochen: vierundzwanzigtausend Goldmaravedí.«
Der Erzbischof war beeindruckt von der Ziffer. Aber er wollte es nicht sein und höhnte: »Er hat immer viel versprochen.«
»Er hat noch jedes Versprechen gehalten«, antwortete Don Alfonso.
In Don Martíns Innerem klangen Sätze auf aus päpstlichen Rundschreiben und Verfügungen: die Juden, da sie die Schuld der Kreuzigung auf sich geladen hätten, seien zu ewiger Sklaverei bestimmt, das Zeichen des Kain sei ihnen aufgebrannt, wie er sollten sie unstet und flüchtig herumirren. Und da stand Don Alfonso, ein
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