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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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und eindringlich. Aber Don Jehuda hörte mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu. Seine lebendige Vorstellungskraft sah leibhaft die Dinge, von denen der Rabbi berichtete. Eigene, grimmige Erinnerungen wurden ihm wach. Damals, vor anderthalb Menschenaltern, hatten es die Moslems in seinem Sevilla genauso getrieben wie jetzt die Christen in Francien. Auch sie waren zuerst über die nächsten »Ungläubigen« hergefallen, über die Juden, und hatten sie vor die Wahl gestellt, zu ihrem Glauben überzutreten oder zu sterben. Jehuda wußte genau, wie es in denen aussah, über die sie jetzt herfielen.
    »Vorläufig«, sagte Rabbi Tobia, »helfen uns noch die Gaugrafen und Barone der unabhängigen Gebiete. Aber der gesalbte Frevler bedrängt sie, und sie werden ihm nicht lange widerstehen. Ihre Herzen sind nicht böse, doch auch nicht gut, und sie werden nicht Krieg führen gegen den König von Francien um der Gerechtigkeit und um der Juden willen. Nicht ferne ist die Zeit, da werden wir weiterwandern müssen, und es wird nicht leicht sein; denn wir haben nichts gerettet als unsere Haut und einige Thora-Rollen.«
    Friede war, Pracht und Stille in dem schönen Haus. Es plätscherten die freundlichen Wasser; golden, blau und rot leuchteten von den Wänden die Buchstaben der erhabenen Verse. Die dünnen, blassen Lippen in dem wunderlich erstorbenen Gesicht des Rabbis entließen gleichmäßig die Worte. Don Jehuda aber sah vor sich die vielen, vielen Juden, wie sie wanderten mit müden Füßen, und wie sie am Wegrand rasteten, ängstlich äugend, welch neue Gefahr sie bedrohen mochte, und wie sie zu den langen Stäben langten, die sie von irgendeinem Baum gebrochen hatten, und weiterwanderten.
    Die Sorge um die Juden Franciens hatte Don Jehuda schon in Burgos beschäftigt, und sein schneller Geist hatte manches Hilfsprojekt erwogen. Nun aber, während er auf Rabbi Tobias Bericht hörte, formte sich ihm ein neuer Plan; die Aktion wird kühn sein, schwierig. Aber es gab keine andere, die in Wahrheit half. Der Anblick des unscheinbaren Rabbis, der nicht bat und nicht einmal mahnte oder verlangte, spornte Jehuda.
    Als andern Tages Ephraim Bar Abba ins Castillo Ibn Esra kam, war Don Jehuda entschlossen. Don Ephraim, bewegt von der Erzählung Rabbi Tobias, wollte einen Fonds von zehntausend Goldmaravedí aufbringen für die Verfolgten in Francien, er selber gedachte tausend Maravedí zu spenden, und er bat Don Jehuda um einen Beitrag.
    Der aber antwortete: »Es wird den Vertriebenen nicht viel helfen, wenn wir sie mit Geld speisen für die Notdurft einiger Monate oder auch eines Jahres. Die Grafen und Barone, in deren Städten sie jetzt sitzen, werden dem König nachgeben und sie von neuem vertreiben, und sie werden ziellos weitergejagt werden über die Erde, immer neuen Feinden in die Hände fallend, zur schließlichen Vernichtung bestimmt. Es gibt nur eine Hilfe: sie anzusiedeln an einer sichern Stätte, wo sie bleiben können.«
    Der Párnas der Aljama war peinlich überrascht. Wenn man jetzt im Heiligen Krieg Scharen armer Juden ins Land zog, mußte das üble Folgen haben. Der Erzbischof wird neueHetze predigen, und das ganze Land wird ihm recht geben. Die Juden Toledos waren gebildet, wohlhabend, zivilisiert, sie hatten sich die Achtung der andern erworben; ließ man jetzt Hunderte, vielleicht Tausende französischer Juden herein, die bettelhaft waren und nicht vertraut mit der Sprache und den Sitten des Landes, die auffallen mußten durch ihre Kleidung und ihre fremdartigen, schlechten Manieren, so half man ihnen nicht, man gefährdete nur sich selber.
    Solche Einwände indes, fürchtete Ephraim, würden den tollkühnen Ibn Esra in seinem Vorhaben eher bestärken. Er ersetzte sie durch andere. »Werden sich denn«, meinte er, »diese Juden aus Francien hier jemals zu Hause fühlen? Es sind kleine Leute. Sie haben Weinhandel getrieben und ängstliche Geldgeschäfte, sie kennen nur den armseligen Kleinkram ihres Franciens, ihre Denkart ist eng, von großen Unternehmungen wissen sie nichts. Ich tadle sie nicht darum; es war ihnen ein enges, hartes Leben auferlegt, viele sind die Söhne solcher, die aus deutschen Ländern fliehen mußten, oder haben die Verfolgungen in Deutschland noch selber miterlebt. Ich sehe nicht, wie sich diese trüben, verschreckten Menschen in unserer Welt zurechtfinden sollten.« Don Jehuda schwieg; dem Párnas schien, als lächelte er ganz leise. Dringlicher fuhr Don Ephraim fort: »Unser großer Gast selber,

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