Die Juedin von Toledo
Sondersprache ausgedacht, gemischt aus Latein und Arabisch und voll von kleinen, geheimen Regeln, und sie brauchten keine andere Sprache als diese; aber vielleicht noch besser verstanden sie sich, wenn sie schwiegen.
Trotzdem hatte sich ihnen vieles verändert. Sie waren wissender einer um den andern. Alfonso gewahrte manchmal in Raquels Mienen und Worten jenes verfängliche Etwas, welches sie mit ihrem von Gott verdammten Volke verband, und voll frommer, leise hämischer Freude dachte er an seinen Entschluß, diese Züge ihres Wesens auszumerzen. Sie ihresteils verbarg nicht das Mißfallen, welches ihr seine Liebe zu den großen Hunden einflößte. Einmal geschah es, daß sie mit Widerwillen vor den Tieren zurückwich, die sie gutmütig täppisch ansprangen. Da erzählte er ihr fröhlich und böse: »Wir hispanischen Fürsten lieben unsere Tiere. Meine Väter, die alten Gotenkönige, waren sicher, in ihrem Paradies auch ihre Hunde wiederzufinden. Es wäre sonst kein Paradies gewesen. Sie glaubten offenbar an die Weisheit deines vielgeliebten Musa, daß die Seele des Viehes an den gleichen Ort fährt wie die des Menschen.« Er sah, wie sein Scherz ihr mißfiel, und bereute stürmisch: »Verzeih, Liebste. Du magst meine Hunde nicht, sie machen dir Angst, ich schicke sie weg.« Und da sie abwehrte, steigerte sich sein Eifer, sie zu versöhnen. »Auch meinen Belardo magst du nicht, gib es zu. Auch ihn schicke ich fort.« Er ließ sich nur schwer von seinem Vorhaben abbringen.
Manchmal fiel ihm aufs Herz, er müsse nun darangehen, sie zum wahren Glauben zu bekehren. Aber in ihrer atmenden Nähe erkannte er, daß dieses Unternehmen heikler war, als er sich’s vorgestellt hatte. Sie hatte ja noch nicht einmal begriffen, was ein Ritter war, was er selber war. Das zuerst, die Glorie des Rittertums, mußte er sie spüren machen.
Er bestellte jenen Joglar Juán Velázquez in die Galiana.
Raquel, da sie die einfältig grobe Guitarre des Christen hörte, dachte an die delikaten Harfen, Lauten und Flöten der Araber, an ihre Mismár, Schahrúd und Barbút. Aber ihr schnelles, feines Ohr und ihr offener Sinn machten sie empfänglich für das, was in des Joglars einfachem Dichten und Singen lebendig war. Sie verstand nicht immer die genaue Meinung seines niedrigen Lateins, doch ließ sie sich packen von der heldisch ritterlichen Freude seines Liedes.
Es sang aber Juán Velázquez von den Taten und von dem Sterben des Markgrafen Roland von der Bretagne: wie er im Tale von Ronceval mit einer hoffnungslos kleinen Schar einem Meer von Heiden gegenübersteht, und wie sein Freund Olivier ihm rät, sein mächtiges Horn Olifant zu blasen und das Heer König Karls, des großen Kaisers, zurückzurufen. Wie Roland sich weigert, wie seine Ritter Taten unglaubhafter Tapferkeit verrichten, und wie sie einer nach dem andern erschlagen werden. Und wie Roland, selber verwundet, übers Schlachtfeld geht, seine toten Paladine zu sammeln, um sie dem Erzbischof Turpin zuzutragen zur letzten Einsegnung. Und wie Roland zuletzt, zu spät, in sein wunderbares Horn stößt und Berge und Täler weit erklingen. Und wie er ein zweites Mal verwundet wird, dieses Mal schwer, und wie er, aus langer Ohnmacht aufwachend, sich auf dem weiten Leichenfeld als einzigen noch Lebenden findet. Er merkt, wie ihn der Tod ankommt, vom Haupt steigt er ihm hinunter ins Herz. Da schleppt er sich mit eilender Mühe unter einen Fichtenbaum, legt sich nieder in das grüne Kraut, das Haupt nach Süden gerichtet, nach Spanien, dem Feinde zu, und hebt den rechten Handschuh empor zu Gott. Und der Engel Sankt Gabriel nimmt ihm den Handschuh aus der Hand.
Hingerissen hörte, kindlich staunend, Raquel zu. Dann freilich dachte sie nach und meinte, eines sei ihr unverständlich: warum nämlich der Held Roland nicht rechtzeitig ins Horn stoße; dann hätten doch er und seine Ritter den Feind heil und lebendig besiegt. Den König verdroß der kahle Einwand. Aberda bat Raquel den Sänger, ihr die Verse vom Tode Rolands zu wiederholen, ihre Augen strahlten Ergriffenheit, Begeisterung, und Alfonso war sicher, ihre Seele hatte sich der Größe des Rittertums aufgetan.
Daß es so war, zeigte sich, als sie ihm das Geschenk anschleppte, von dem sie ihm schon andeutend gesprochen hatte: eine arabische Rüstung.
Sie war aus herrlichem, bläulichschwarzem Stahl und mit ihren vielen beweglichen Teilen leicht und elegant, ein wunderbares Gebilde. Alfonsos helle Augen strahlten. Sie half ihm die
Weitere Kostenlose Bücher