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Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Die Juliette Society: Roman (German Edition)

Titel: Die Juliette Society: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasha Grey
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bloß Lust zu haben, sondern er übernimmt sogar die Initiative. Dabei hatten wir gerade eine Beziehungspause, und selbst davor ist es mir wochenlang nicht gelungen, sein Interesse zu wecken. Doch plötzlich ist er wie ausgewechselt. Er wirkt wie in unserer ersten Zeit, als wir rammelten wie die Karnickel, wann und wo wir nur konnten. Jack kann durchaus draufgängerisch sein, aber Spontaneität ist nicht wirklich seine Stärke. Er organisiert lieber alles und hat gerne stets einen Plan zur Hand, selbst wenn es um heimlichen Sex im Haus seines Chefs geht – es sei denn, jemand anderes, üblicherweise ich, trifft die Entscheidung für ihn.
    Wir winken Bob und Gena zum Abschied, als sie mit Bobs Wagen davonfahren, einem gut erhaltenen kirschroten 1968er Cadillac DeVille Cabrio – was sonst. Als sie in der Auffahrt wenden, winkt Gena zurück und ruft uns über das Motorengeräusch hinweg zu: »Also Kinder, seid brav und lasst das Haus ganz.«
    Wenn die wüsste.
    Wir sehen sie auf der Straße hinter der ersten Kurve verschwinden, und in der Sekunde, als sie außer Sichtweite sind, läuft Jack durchs Haus und fängt an, sich die Klamotten vom Leib zu reißen. Als letztes weichen seine Boxershorts, die er am Rand des Pools abstreift, bevor er hineinspringt.
    Ich schaffe uns den nervigen Hund vom Hals, indem ich sein quiekendes Spielzeug in die Garage pfeffere und dann die Tür absperre, nachdem er hineingesaust ist. Nur um ihn wieder einmal mit der Realität bekannt zu machen, damit er schnallt, dass er gar nicht so schlau und so niedlich ist, wie er denkt. Als ich davonspaziere, höre ich noch, wie er zu winseln anfängt.
    Am Pool angekommen, sehe ich, wie Jack darin herumplanscht. Es ist ein wunderschöner, warmer Abend. Alles ist in goldenes Licht getaucht. Jacks Haare sind nass, sein Gesicht strahlt. Er sieht so schön aus und glücklich, und ich kann es nicht erwarten, zu ihm reinzuspringen.
    Ich fange an, meine Klamotten abzulegen, aber nicht schnell genug für Jack, denn schon ruft er mir vom Pool aus zu: »Los, komm! Worauf wartest du? Es ist super!«
    Ich betrete das Sprungbrett, gehe bis an die Kante und verliere beinahe das Gleichgewicht, als es unter meinem Gewicht leicht nachgibt. Ich bin noch in BH und Höschen, weil ich ihn scharfmachen will, indem ich sie ganz langsam vor seinen Augen ausziehe. Ich will gerade den BH aufhaken, entscheide mich dann aber dafür, erst mein Höschen loszuwerden, überlege es mir dann aber noch mal anders und greife wieder nach meinem BH. Und während ich das tue, habe ich ein Déjà-vu.
    Immer wenn mir das passiert, fühlt es sich fast an wie eine mystische Erfahrung. Als würde ich mir ganz plötzlich und unerwartet eines Traums bewusst, der mein ganzes Leben schon vorweggenommen hat, bevor ich es überhaupt gelebt habe. Als würden irgendwie die Grenzen zwischen meinen Träumen und meinem echten Leben niedergerissen, und ich kann sehen, was auf beiden Seiten des Spiegels passiert. Das echte Leben fühlt sich wie ein Traum an und der Traum fühlt sich absolut wirklich an. Und mir ist, als hätte ich ein wesentliches Geheimnis der Realität begriffen, das noch niemand vor mir erkannt hat. Dann, genauso schnell wie es gekommen ist, ist dieses Gefühl auch schon wieder verflogen, und ich bleibe mit dieser schrecklich bohrenden Leere zurück, weil ich nicht festmachen kann, wie oder warum ich überhaupt so empfunden habe.
    Aber diesmal ist es überhaupt keine Erinnerung, sondern eine Szene aus einem Film, den ich sehr mag und der mir ans Herz gewachsen ist. Ich bin Cybill Shepherd in Die letzte Vorstellung , die im Begriff ist, auf einer Poolparty nackt zu baden, wobei ihr alle zusehen und sich einen grausamen Spaß aus ihrer Verlegenheit machen.
    Ich habe ja keinen Grund, schüchtern zu sein, denn Bobs und Genas nächste Nachbarn wohnen ganz am anderen Ende des Tals. Sie müssten schon ein Fernrohr auf das Haus gerichtet haben, um uns sehen zu können. Aber sich im Freien nackt auszuziehen, hatte schon immer etwas Bedrohliches für mich. Vor anderen Leuten nackt sein? Kein Problem. Es macht mir nichts aus, wenn die Leute mich anschauen. Es sind die Augen, die ich nicht sehen kann, die mir Angst machen.
    Und wie Cybill Shepherd schlage ich schließlich alle Bedenken in den Wind, streife meinen Slip und BH ab und springe hinein. Und als das kalte Wasser mich einhüllt, vergesse ich alle meine bescheuerten Komplexe. Ich öffne die Augen, sehe Jack unter Wasser und schwimme auf ihn

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