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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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ging dann bedrückt zur Tür und verließ die Wohnung. Im Stiegenhaus blieb er stehen und schaute zurück. Niemand folgte ihm.
    Die Stimme des Schauspielers ging ihm nach bis in die Träume.
     
    ~
     
    Sie mußten unbedingt herausbekommen, was der Schauspieler von ihnen wollte. Ihr feines Ohr sagte ihnen, daß die Sprache des Schauspielers echt und ehrlich war. Er, der allem Anschein nach doch eigentlich zur Gegenpartei gehörte, hatte nicht einen einzigen Fehler gemacht, keinen falschen Ton angeschlagen. Er war weder herablassend noch zu unbefangen, und auch nicht zu vertraulich. Es bereitete ihm merkbar keine Mühe, den unendlich weiten Weg zu gehen, der zwischen den Ufern dieser beiden Welten liegt, um zu ihnen zu gelangen. Ihr feines Gespür hätte keinen Schnitzer verziehen. Waren doch übertriebene Liebenswürdigkeit, Ehrlichkeit und Vertraulichkeit in ihren Augen ebenso verdächtig wie gespielte Ungezwungenheit. Der Schauspieler hätte, wenn er nicht ehrlich gewesen wäre, in ihrer Gesellschaft mit halben und Vierteltönen arbeiten müssen, mit Feinheiten, die er über längere Zeit nicht durchhalten konnte. Sie wußten, daß die Erwachsenen miteinander nicht ehrlich sind und kein Vertrauen zueinander haben. Der Schauspieler verbrachte den Tag unter Erwachsenen, in den Proben, im Kaffeehaus mit den Bummelanten der Stadt. Zu seinem ständigen Umgang gehörten der kleingewachsene, sehr elegante Redakteur, der jeden feierlich und eindringlich grüßte, der Souffleur der Truppe, den er noch »vom Ausland her« kannte, wie er locker konstatierte, der ihm Sekretär, Postillion und Vertrauter in seinen komplizierten Geldangelegenheiten war –und schließlich Havas, der fette Pfandleiher.
    »Bei Havas ist das Geld«, sagte er mit einer nervösen Geste, als Ábel eine Frage an ihn richtete. »Nicht nur das Geld, auch die Sachwerte sind bei ihm. Vielleicht wißt ihr noch nicht, daß man mit dem Pfandleiher immer gut Freund sein muß. Wenn ich in eine fremde Stadt komme, ist mein erstes, daß ich mich mit dem Redakteur und dem Pfandleiher gut stelle. Die beiden helfen mir, das zu erreichen, wofür ich allein zu schwach bin: zur Unsterblichkeit und zum Überleben. Und unsterblich kann der Mensch nur werden, wenn er vorher überlebt.«
    Es war schwer, ihm zu widersprechen. Aus dieser Distanz kam er zu ihnen oder gingen sie an Nachmittagen, die sie in der Stadt verbrachten, zu ihm. Das Geheimnis des Arabesque enthielten sie dem Schauspieler bis zum letzten Augenblick vor. Jede Tonschwankung seiner Rede wurde auf die Goldwaage gelegt.
    Doch der Schauspieler beherrschte etwas, was den anderen abging. Ob es seine Natur war oder nur eine Fähigkeit, ein Instinkt? Er wußte so mit ihnen zu sprechen wie sonst kein Erwachsener. Die anderen begingen ständig den Fehler, mit ihnen wie mit Erwachsenen zu reden. In diesen groben Irrtum verfiel der Schauspieler nie. Er baute keine künstliche Brücke, und er stieg auch nicht zu ihnen hinab.
    Amadé redete wie einer, der sich endlich zu Hause fühlt, bequem wie im Morgenrock. Er benutzte ihr Vokabular, ihre Gaunersprache brauchte er gar nicht erst zu erlernen. Mit seinem unruhig verträumten Blick setzte er sich zu ihnen, ließ die Augen nervös umherschweifen und sagte: »Um wieviel ihr jünger seid. Eigenartig, daß ihr jünger seid, als ich dachte. Ich selbst war schon viel älter, als ich auf die Achtzehn zuging. Und gab dann später von meinem Alter ab.«
    Er war nicht der Riese, der sich auf den Boden setzt, um kleiner zu wirken, damit die Zwerge sich nicht fürchten, wenn sie mit ihm spielen: Er war ein entarteter Zwerg mit Riesenkörper und Perücke, den man zum Amüsement der Erwachsenen engagiert hat und der am Abend müde und enttäuscht zu seinen Zwergenkameraden zurückkehrte.
    Gelegentlich schmuggelte er sie in die Künstlerloge auf dem zweiten Rang. Da saßen sie beklommen in der Tiefe der Loge, und Amadé spielte für sie. Mit Gesten, die nur sie begriffen, unterstrich er augenzwinkernd und mit allerlei Sprüchen eine Kumpanei, deren Hintergrund nur ihnen verständlich war. Der Schauspieler spielte unter dem gleichen Zwang, dem auch sie unterlagen, die Wirklichkeit hinter der schmerzlichen Grimasse einer Person oder einer Maske verzerrend. Das Spiel bedeutete ihm das gleiche wie ihnen. Vielleicht lebte der Schauspieler die echten Gesten seines Lebens nur auf der Bühne, nur dann, wenn
    er spielte, so wie sie ihr Dasein jenseits der Realität als das wahre Leben

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