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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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sich, kneift die Augen zusammen. Fragt mit näselnder Stimme: >Wer ist da? Ein Zögling? Was will der Zögling?< Du trittst näher, knetest deinen Hut in den Händen und kriegst vor Rührung keinen Ton heraus. Gurka erhebt sich langsam. >Wie?< sagt er. >Sehe ich richtig? Doch nicht Ruzsák? In der Tat, Ruzsák.< Kommt zu dir, reicht dir die Hand und ist ganz verwirrt, weil er es war, der dich zweimal durchrasseln und jetzt nur bestehen ließ, weil die Kriegsmatura und die Kommission es so forderten. Und er war es auch, der bis zur Vierten geohrfeigt hat. Er war derjenige, der sich an jeder Ecke herumdrückte, wo Mädchen wohnten, sich oft eine Influenza einhandelte, weil er stundenlang spähend in Toreinfahrten stand. Er ließ sich sogar einen Überzieher machen, dessen hochgestellter Kragen ihn bis an die Ohren vermummte und mit dem er sich auf der Straße verdächtigen Gruppen unerkannt nähern konnte. Mit einem Wort, Gurka. Er ahnt nichts Gutes, zieht die Brauen zusammen und weiß nicht, ob er dir einen Platz anbieten soll; du stehst nur da, schweigst und starrst ihn an. Er hat schon bereut, daß er dir die Hand gegeben hat. Was kann der Schüler wollen? Sicher nichts Gutes. Vielleicht plant er gar ein Attentat und hat einen Schlagring in der Tasche oder ein Messer. >Nun also, Ruzsák<, fragt er, nach Luft schnappend, >welcher Wind hat Sie hergeweht?< Du aber zitterst nur und wechselst die Farbe.«
    Sie rücken dichter zusammen, das haben sie verstanden. Der Kellner zieht den Vorhang zu.
    »Du läßt den Hut fallen, hustest«, sagt Ábel.
    »Gut. Dann sagst du: >Ich war so frei … Herr Professor, mit Ihrer gütigen Erlaubnis … habe mir erlaubt< … und trittst von einem Bein aufs andere. Gurka beruhigt sich. Legt seine Hand auf deine Schulter. >Nun, Ruzsák, man muß nicht gleich verzweifeln. Ich weiß, mein Sohn. Der Schöpfer hat die Geistesgaben nicht gleichmäßig auf seine Schäfchen verteilt. Sie, Ruzsák, mußte ich mehrmals ein wenig anspornen … ja … vielleicht habe ich sogar einmal geäußert, daß Sie, Ruzsák, ein kapitaler Esel sind. Nehmen Sie es sich nicht zu Herzen. Jetzt haben wir doch alles hinter uns. Es gibt Berufe, mein Sohn, die nicht ganz soviel geistige Beweglichkeit erfordern, wie man sie zum Beispiel für die Profession eines Lehrers benötigt. Werden Sie Kaufmann, Ruzsák. Ach, es gibt ja so viele Berufe auf der Welt. Wichtig ist, daß man dort seinen Mann steht, wo einen das Leben hingestellt hat.< Und du stotterst nur. Und wenn er dir wieder auf die Schultern klopft, zweimal, dann stotterst du nicht mehr. >Ich bin gekommen, Herr Professor, weil mich Zweifel plagen.< >Heraus damit, Ruzsák.< >Dieser Abschnitt bei Tacitus<, sagst du. >Welcher Abschnitt ?< Gurka schaut zum Fenster, zur Tür, versteht nicht. >Dieses kleine Stück<, sagst du, >hier bitte, Herr Professor, ich habe es mitgebracht<, und holst das Buch hervor. Gurka zieht die Brille von der Stirn herunter, blickt ratlos hierhin, dorthin. Was will der Zögling? Aber du bist jetzt schon auf ungezwungene Art bescheiden. Zwanglos erklärst du: >Dieser Satz hier, Herr Professor<, schlägst das Buch auf und deutest auf die Stelle. >Ich habe den Eindruck, daß ich mit diesem Satz nicht ganz im reinen bin, mir sind da nachträglich Zweifel gekommen. Mich quält die Ungewiß
    heit, ob ich diese kleine Wendung da nicht mißverstanden habe.<« Béla beugt sich vor, sein Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen. »Dieses Plusquamperfectum habe ich nicht erkannt, bitte«, sagt er glücklich und reibt sich die Hände.
    »Ja, du bist zurückgekommen. Bittest ihn, er möge verstehen, daß du mit diesem Zweifel im Herzen nicht ins Leben hinaustreten kannst. Du willst nicht in den Krieg, ohne vorher mit ihm diese Stelle bei Tacitus geklärt zu haben.
    >Zwei Präfixe des Verbs verstehe ich nicht<, sagst du. >Zwei kleine Präfixe.<
    Gurka bittet dich, Platz zu nehmen. Nimmt die Brille ab, sieht dich lange an. >Sie, Ruzsák?< sagt er. Jetzt, nach der Matura ? Wie soll ich das verstehen ? < >Verzeihung, Herr Professor<, antwortest du respektvoll, aber entschlossen, >ich habe Zweifel. Wenn ich acht Jahre lang unter der Hand des Herrn Professors etwas gelernt habe … volle acht Jahre, bitte sehr, Herr Professor … da ist mir die Bedeutung dieser Sache klargeworden. Hier ist zum Beispiel Horatius. Da ist Cicero. Wenn der Herr Professor so gütig wäre … einige etwas unklare Passagen…<«
    Der Souffleur steckt den Kopf durch den Vorhang.

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