Die jungen Rebellen
Mitglieder der Truppe herein. Der Bonvivant, der noch etwas Schminke im Gesicht hat, geht am kleinen Extrazimmer vorüber, bleibt kurz stehen, sein Goldzahn blitzt, als er dem Souffleur etwas zuruft. Beide lachen. Der Schauspieler nimmt sie nicht zur Kenntnis. Er hat seinen großen Vortrag über die Wirkung des Wodkas auf den menschlichen Farbensinn gerade beendet. Jetzt lehnt er sich japsend zurück und verschnauft.
Die Primadonna plaziert sich mit ihrem Stab am Tisch der Boheme. Der Schauspieler richtet den Blick forschend auf die Tür. Noch fehlt der Direktor, ein Platz rechts neben der Primadonna blieb für ihn frei. Die Einnahmen in der Tasche, verläßt der das Theater stets als letzter, wie der Kapitän das sinkende Schiff. Er geht erst, wenn die Putzfrauen schon das Parkett gekehrt haben.
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»Laßt uns noch bleiben«, sagt der Schauspieler hinter vorgehaltener Hand, »bis mein Vertrauensmann Meldung gemacht hat. Es ist besser, wenn wir solange warten. «
Er hat einen Plan, auf den er mit rätselhaften Bemerkungen schon den ganzen Abend anspielt. Die Mitglieder der Clique fühlen sich nicht wohl. Lümmeln zwanglos um den Tisch, trinken Bier und mustern die Ankommenden. Es ist das erste Mal in ihrem Leben, daß sie befreit, im Besitz der Bürgerrechte und angstfrei im Kaffeehaus sitzen. Dieses Zimmerchen hat sie auch bisher schon öfter als Gäste gesehen, doch wagten sie immer nur bei zugezogenen Vorhängen für ein halbes Stündchen unruhig hinter der Tür zu sitzen.
Schon in der ersten halben Stunde, die sie als Gleichberechtigte hier im Lager der Erwachsenen zubrachten, haben sie festgestellt, daß das alles nicht das ganz große Vergnügen ist und keineswegs so amüsant, wie sie noch gestern geglaubt hatten. Der Reiz dieser Lustbarkeit ist verflogen. Vor wenigen Wochen, als ein Abstecher hierher mit Gefahren verbunden war, empfanden sie die vertrauliche Heimlichtuerei des Kellners, die verschworene Beflissenheit des Geschäftsführers noch nicht als demütigend. Verdrossen sitzen sie herum, bemerken zum ersten Mal, wie schäbig und ungemütlich die Einrichtung hier ist, atmen gelangweilt die ekelhaft säuerliche Luft.
»Was ist?« fragt Tibor.
Ábel lacht mißmutig. »Erinnert ihr euch, wie unsereiner nur im Vorbeigehen durch die Scheiben hereingeschielt hat?«
Die Langeweile weicht einer Beklommenheit. Was soll werden, wenn es ihnen mit allem, was sie bisher nur von außen kannten, so ergeht? Wenn alles, was fremd und verborgen war, nun für sie erreichbar ist, wenn sie von der Welt lässig Besitz ergreifen können, von allem, um das unter den Erwachsenen Kämpfe toben, Geld, Freiheit, Frauen, und wenn sich von all dem herausstellt, daß es ganz anders und viel weniger interessant ist, als sie geglaubt haben?
»Ich langweile mich«, stellt Béla trocken fest.
Er klemmt sich sein Monokel ins Auge und schaut provozierend umher. Von den Tischen wird ihnen zugelächelt. Gegen elf geht der Geschichtslehrer durchs Kaffeehaus. Ernő spricht leise ein Kommando, und die Clique springt wie ein Mann auf, verbeugt sich tief und grüßt im Chor: »Ergebenster Diener, Herr Professor.«
Melodiös schallt ihr Gruß durch den Raum. Der ältere Herr mit Brille erwidert verstört die schulmäßige Begrüßung, verbeugt sich ungelenk und sagt in seiner Verwirrung: »Habe die Ehre.«
Ábel behauptet, daß er dabei rot geworden sei. Und er geht nach dieser Attacke schleunigst davon.
Langsam kommen sie wieder zu sich. »Nur so wird es gehen«, sagt Ernő. »Darauf müssen wir achten. Weiterhin die brennende Zigarette in der Hand nach innen halten, wenn jemand naht. Und sehr höflich grüßen, höflicher als bisher. Der Kellner soll den Vorhang zuziehen und der Geschäftsführer darauf achten, daß wir nicht gesehen werden.«
Auch wurde der Plan erwogen, in der kommenden Woche, bevor das Lehrerkollegium in die Ferien ging, einzeln und als Gruppe in den Nachmittagsstunden die Fachlehrer aufzusuchen und bezüglich gewisser unklarer Einzelheiten um Aufklärung zu bitten. Der Besucher hat dabei mit ausgesuchter Höflichkeit aufzutreten und wird stotternd, seinen Hut in den Händen drehend, errötend, stammelnd seine Bitte vortragen, ganz so wie bisher.
Ernő erhebt sich: »Du, Béla, suchst zum Beispiel Gurka auf und sagst: >Ihr untertänigster Diener, Herr Professor, ich bitte um Entschuldigung, daß ich den Herrn Professor störe.< Er sitzt am Schreibtisch, schiebt seine Brille auf die Stirn hoch, räuspert
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