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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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»Die Luft ist rein, das Feld ist dein«, sagt er.
    Nur sein kahler Schädel, seine Stirn und die knollige rote Nase schieben sich durch die beiden Vorhanghälften, sein Körper bleibt dahinter unsichtbar. Bühnenreife Auftritte sind ihm vertraut. Sein Kopf dreht sich, wie von einem Mechanismus bewegt, gleichmäßig einmal nach rechts, einmal nach links, dann verschwindet er blitzartig. Das Ganze war wie eine Erscheinung.
    Die Musik spielt. Süßer, angeregter Lärm schwebt im Raum, Gesprächsfetzen, Tellerklirren und billige Dreivierteltakte. Der Schauspieler rüstet sich langsam zum Aufbruch. Prüft seine Perücke im Taschenspiegel, zieht den angefeuchteten Daumen und Zeigefinger über die Augenbrauen. Streift mit Sorgfalt die Handschuhe über. Das Anziehen der Handschuhe zelebriert er immer so, als wären sie neu und als würde er sie zum ersten Mal tragen: Mit vier Fingern gleitet er zunächst in die lederne Hülle, wartet kurz, schiebt dann mit verschämter Eile den vier Brüdern den Daumen hinterher.
     
    »Ich eile schon voraus«, sagt er. »Folgt mir langsam, in kleineren Gruppen. Lajos, du gehst als letzter. Ich warte beim Bühneneingang.«
    Er legt den Zeigefinger auf den Mund, schließt die Augen und flüstert: »Leise und vorsichtig.«
    Schlägt dann die beiden Vorhanghälften hinter sich zusammen. Sie hören noch seine lauten, halb gesungenen Begrüßungsworte.
    »Von Morawecz verlangst du Auskunft darüber, was eigentlich die Ursache für die mangelnde Popularität von Joseph II. war«, fährt Ernő fort. »>Dieser dicke Gaul, Majestät, ist der Klerus, der andere der Adel, und die magere, blinde Mähre, sie ist das Volk …< Du seist der Meinung, diese außerordentliche historische Gestalt habe noch nicht ganz die ihr gebührende Würdigung erfahren. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu, du würdest nicht von der Stelle weichen, bis er nicht … er solle sie würdigen …«
    »Unter König Ludwig dem Großen ging der Stern im Norden, Osten und Süden unter«, sagt Ábel. »Warum eigentlich?«
    Tibor fügt ernst und sorgenvoll hinzu: »Ich verstehe das auch nicht.«
    »Man wird ganz besonders auf die Betonung der Fragen zu achten haben«, sagt Ernő. »Das wird am schwierigsten sein. Mit allem Respekt, aber auch mit Bestimmtheit. Schließlich verlangst du ja nichts von ihnen … das Ganze ist nichts anderes, als gingest du in einen Laden zurück, in dem du etwas gekauft hast, um bezüglich der Qualität einer Ware noch einmal um Aufklärung zu bitten oder, sagen wir, eine Gebrauchsanweisung zu verlangen. Das schulden sie uns. Wichtig ist anzumerken, daß du einfach keine Ruhe findest, weil dich das Gewissen wegen des Textabschnitts bei Tacitus plagt. Das muß herauskommen. Wir können es ja morgen üben.«
    »Eventuell sollten wir auch andere einbeziehen«, sagt Béla. »Jurak könnte sich beim Musiklehrer entschuldigen, weil er falsch gesungen hat. Vielleicht sollte er ihn um Privatstunden bitten, jetzt, nachträglich. Das Geld könnten wir gemeinsam aufbringen.«
    »Was hat eigentlich Amadé vor?« fragt Ábel.
    Niemand weiß, was er im Sinn hat. Auch Lajos nicht. Béla zieht vorsichtig mit einer Hand den Vorhang beiseite, sie spähen durch den Spalt. Da sitzen sie: die Primadonna, ihr zur Rechten der Direktor, der inzwischen eingetroffen ist und jetzt Würstchen ißt, links von ihr der Apotheker. Der Redakteur sitzt am Tischende und lauert, um einen Informationshappen zu ergattern, aus dem sich etwas machen läßt. Zwei junge Offiziere trinken Champagner. Der Geschäftsführer steht mit herzkranker Miene ans Büffet gelehnt, seine gelben Hände baumeln schlaff herab. Man kann nicht verstehen, warum sich hier jemand aufhält, dessen Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich ist. In dem Lärm versteht einer kaum das Wort des andern. Ábel denkt, daß die Abende seiner Kindheit in Vaters Zimmer mit den drei sanften Verrückten unterhaltsamer waren.
    Die große Anspannung löst sich allmählich. Die durch Schande, Staunen und Verwirrung eingetretene krampfhafte Fassungslosigkeit, die ihn mittags überfallen hat, als sich die Clique verabschiedete, ist einer fast lähmenden Gleichgültigkeit gewichen. Er sitzt in Tibors Nähe, das ist alles. Gestern noch konnte er, wenn er morgens aufgestanden war, die Gewißheit haben, in einer, in einer halben Stunde bei Tibor zu sein, neben ihm zu gehen; er hat sich dann etwas ausgedacht, irgendeine Geschichte, einen aufregenden Tratsch, auf den Tibor mit einem höflichen,

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