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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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denkt an mich, es ist genug. Ich will allein sein, will andere Freunde. Diese Kameradschaft tut weh. Ich ertrage sie nicht mehr.
    Fast flehend blickt er auf.
    Nicht zuviel Kameradschaft, denkt er. Ich kann nichts dafür. Habe keinen gebeten. Er hebt die Hand, und jetzt blicken ihn alle an, unverhohlen. In Ernő s Augen liegen Hohn und kalter Glanz. Alle hassen mich, denkt er, und beißender Trotz überkommt ihn.
    Er streckt sich geziert und steht auf: »Kommt«, sagt er kurz. »Mir reicht es jetzt.«
     
    ~
     
    Sie gehen in einem Trupp durchs Kaffeehaus, Tibor vorneweg, nach ihm die drei, Lajos schlendert hinterher. Der Bonvivant beugt sich zum Direktor hinüber. Sie sehen ihnen nach. »Amadés Freunde«, sagt man an einem Tisch, Gekicher und neugierige Blicke folgen ihnen. Ábel spürt, daß er rot wird. An den Tischen redet man über sie. Sie stehen in der Drehtür. Für einen Augenblick stoppt die Tür, jemand versucht, sie in die entgegengesetzte Richtung zu drehen. Blicke verfolgen sie von allen Seiten.
     
    Bücher sind vielleicht doch die bessere Alternative. Er hätte lieber bei seinen Büchern bleiben sollen; was man von einem anderen bekommt, tut weh und ist irgendwie unsauber. Daß es so weh tun kann, hätte ich nie geglaubt. Ich weiß, ich bin ihm lästig. Tibor ist viel dümmer als ich. Dumm, was heißt das? Er kennt diese Aufgeregtheit nicht, die ich empfinde, wenn ich jemanden kennenlerne, wenn ich die Erinnerung an eine Stimme suche unter Stimmen, die ich jemals vernommen habe. Vater schläft jetzt sicher schon. Etelka ist wahrscheinlich noch wach, sitzt vielleicht in meinem Zimmer. Sie liebt mich. Ernő meint, sie ist in mich verliebt. Was hat doch gleich der Schuster über Tibors Mutter gesagt? Am Morgen ging es ihr noch nicht schlechter. Wenn sie in der Nacht sterben würde und der Oberst morgen oder übermorgen zum Begräbnis heimkäme … Man muß mit Havas reden. Warum Tibor mich wohl dabeihaben will? Wir bitten ihn, das Silber zurückzugeben, und verpflichten uns schriftlich, die Schulden selbst abzuzahlen, wenn wir am Leben bleiben. Mehr noch, ich gebe ihm eine schriftliche Versicherung, die kann er, falls ich sterbe, Vater oder Etelka aushändigen. Vielleicht denke ich in einem halben Jahr gar nicht mehr an all das hier. Vielleicht werde ich leben und eines Tages etwas schreiben. Auch das ist schmerzlich, aber es tut nicht so weh, wie unter Menschen zu leben. Jetzt stehen wir da, und alle gaffen uns an. Wie höhnisch sie schauen, der Redakteur deutet auf uns und sagt etwas. Vielleicht wissen sie, daß Amadé auf uns wartet. Es hat etwas Demütigendes, daß wir uns mit Amadé abgeben. Sie mögen ihn nicht. Lachen über ihn und tuscheln hinter seinem Rücken. Jetzt grinsen sie auch über uns. Vielleicht denken sie, daß wir ins Freudenhaus gehen, denn nach der Matura ist das angeblich üblich, und daß Amadé uns hinbringt. Wäre eigentlich gar nicht übel. Der große Jurak, dieser Kraftprotz, war letzte Woche bei den Mädchen, er hat erzählt, da wäre jetzt eine, die Blonde aus der Hauptstadt, und sie hätte ihm ihren Schein gezeigt, den sie mitgebracht hat. Sie ist eine Registrierte. Jurak hat alle ihre Einträge gelesen, die Polizei schreibt diesen Mädchen sogar vor, in welchen Gassen sie gehen, wo sie winken und jemanden anlächeln dürfen. In der Oper und im Nationaltheater läßt man sie nur oben auf der zweiten Galerie sitzen, auch steht da, wieviel der Zuhälter der Dirne von ihrer Taxe abnehmen darf. Man sollte das einmal lesen. Alles müßte man lesen, ansehen, was die Menschen geschrieben, was sie gebaut und entworfen haben, alles. Eines Tages, vielleicht viel später, werde ich niederschreiben, was ich im Leben gesehen, gehört und gedacht habe, in einem einzigen Buch, auch die Stadt will ich beschreiben, Tibor, Amadé, Etelka und all das, was ich bis dahin noch sehe und höre. Es wird das größte Buch der Welt werden, alles soll darin enthalten sein und genau so, wie ich es erlebt habe. Das wäre nicht schlecht. Was ist jetzt? Warum gehen wir nicht? Tibor haßt mich. Ernő haßt mich auch. Ich glaube, wir hassen uns inzwischen alle gegenseitig. Amadé ekelt mich an, und Lajos bringt mich mit seinen dummen Fragen aus der Fassung. Unvermittelt sagt er Dinge, die nicht das Geringste mit dem zu tun haben, worüber gerade geredet wird. Er denkt ständig an allem vorbei. Ich will nicht, daß Tibor mich haßt. Er ist zwar dumm, doch ich möchte es dennoch nicht. Ich bin ganz anders.

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