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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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diesem Augenblick flirrt alles wieder durch ihre Sinne, die gemeinsamen Erinnerungen, der Geist der Rebellion, der sie verband, der glühende Haß auf eine Welt, die ebenso unverständlich und unwahrscheinlich war wie die ihre, genauso sinnlos und auch so verlogen. Und die Kameradschaft, die sie zusammengehalten hat, die Sehnsucht und die Beklemmung, deren Traurigkeit noch in ihren Augen war.
    Tibor hebt den Rock an und dreht sich staunend um seine eigene Achse. »Der Rock«, stellt er überascht fest, »ist gar kein so unangenehmes Kleidungsstück, wie man glauben möchte.«
    Ein beleibter Matrose tritt ins Zimmer, sein Bauch wölbt sich unter einem ärmellosen gestreiften Trikot, er bleibt in seiner weiten blauen Leinenhose mit den derben Juchtenlederschuhen breitbeinig auf der Schwelle stehen, die Pfeife hängt ihm locker im Mund, die nach vorn gekämmten öligen Haare kleben wie gewachst unter der Matrosenmütze, er schielt. Tolpatschig steht er da, nimmt die Pfeife aus dem Mund, winkt, daß sie gehen sollen, und macht hinter ihnen das Licht aus.
     
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    Er stolpert und poltert mit seinen klappernden Schuhen auf den knarrenden Brettern und knipst das Licht an. Ein greller Schein sticht ihnen in die Augen, von unten und von der Seite; hinter der blendenden Helligkeit tut sich Dunkelheit auf, die Höhle des Zuschauerraums mit düsteren, nach Naphthalin riechenden Versatzstücken. Der Schauspieler geht sicher und mit der Routine eines Bühnenmaschinisten hin und her, kümmert sich nicht um sie, zieht Hebel nach oben, schaltet Widerstände ein, mildert auf rätselhafte Weise die Blendung durch die Scheinwerfer, und schließlich fließt das Licht in einer Ecke der Bühne zusammen; die baumelnden Tauenden, Versatzstücke, Schalttafeln, Bretterbarrikaden ringsum versinken im Dämmerlicht. Er reißt an einer Schnur und greift sich mit der Hand eines der herabstürzenden geknoteten Taue, riesige Segel drehen sich langsam flatternd, der Matrose hantiert, die Pfeife im Mund, phlegmatisch inmitten der farbigen Segel im aufkommenden Sturm. Eine Terrasse mit Stufen und Palmen schwebt herab und verstellt die Sicht, seitlich stürzen in der wirbelnden Staubwolke verschlissene Rosenlauben hernieder.
    »Ein Sturm naht«, sagt der Matrose ruhig, eilt hinter die Kulisse und imitiert das Heulen des Windes, der durch die Lauben fegt. Auf den Sturm folgt unmittelbar kurzes, unterbrochenes Donnern, der Schauspieler tritt, sich die Hände reibend, hinter einem staubigen Kaktus hervor, zündet sich die Pfeife an, blickt kopfschüttelnd um sich und sagt: »Ich glaube, das ist auch nicht das Richtige«, verwirft mit eindeutiger Handbewegung die ganze Rivieralandschaft. »Stellt euch in die Mitte.« Die Landschaft entschwebt, die Rosen folgen zögernd. Und aus dem Nichts kommen einfache weiße Wände, der Zauberer schleudert seine Leine in den Schnürboden hoch, und schon hat sich die Bühne unfaßbar verkleinert. Als sie sich umsehen, sind sie bereits in einer Schiffskajüte gefangen. Wellen klatschen an die Bullaugen, der Wind braust. In der Wand flackern als matte Flecken zwei Lichter auf, neben einem Fenster öffnet sich eine schmale Tür, von oben senkt sich eine schäbige Deckenlampe herab, der Matrose legt sich beidhändig in die Siele, und aus der Höhe kommend schließt eine rhombenförmige Decke die Kajüte ab. Die Deckenlampe geht an. Schon sind alle bei der Arbeit, der Schauspieler schmettert seine kurzen Kommandos, und der Wind, den Ábel steuert, heult auf. Es ist gar nicht so schwer, einen Sturm zu erzeugen, wie man im allgemeinen glaubt. Der Schauspieler hat Ábel mit ein paar Handgriffen in das Geheimnis eingeweiht. »Jage sie, Äolus«, ruft er und schiebt einen Tischbock in die Mitte, »die Winde aus vier Erdteilen gehorchen jetzt deinem Kommando.« Und es ist überraschend einfach, die Winde der vier Erdteile zu befehligen. Der Einarmige rollt ein Faß zur Wand, sie schleppen Kisten heran, vermutlich Zwieback und Trinkwasser. Äolus peitscht seine Diener, und der Widerhall ihrer Schmerzensschreie klingt übers Meer.
    »Alle Mann an Deck!« schreit der Schauspieler. »Zuerst die Dame. Die Kisten um den Tisch. Die Bullaugen schließen.« Er bleibt stehen. »Einst sprangen die Neger ins Wasser … Nein, das hatten wir schon.« Mit dem Fuß stößt er einen zurückgebliebenen Rosenstrauch durch die Kajütentür. Ein Donnerschlag läßt die Wände erzittern, der Boden bebt unter ihren Füßen, Ábel läßt den Sturm

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