Die jungen Rebellen
ein »Ah«.
»Was ich ausbrüte?« fragt er, zerstreut vor sich hin plappernd. »Ich knete und forme. Arrangiere ein kleines Fest. Der Mensch tut, was er kann!« Er holt eine aus mausgrauem Haar geknüpfte Perücke mit Seitenscheitel hervor, bürstet sie. »Du bist gealtert, mein Kind. In letzter Zeit bist du entschieden älter geworden. Leiden macht alt.«
Er zieht mit dem Kamm sorgfältig einen Mittelscheitel über die Perücke. »Ich dachte, für den Abschied«, sagt er. »Aber natürlich können wir auch zu den Mädchen gehen. Oder ins Kaffeehaus Petőfi.« Er dreht Watte auf ein Streichholz, kramt allerlei Fläschchen heraus. »Setz dich zum Spiegel. Ich habe bereits das Bild vor mir, wie du in dreißig Jahren aussiehst. Du wirst an mich denken.« Dann drückt er Ábel mit einer abrupten Bewegung die Perücke auf den Kopf, so wie auch Hypnotiseure ihr Medium überrumpeln und es mit unerwarteter Geste in Trance versetzen. Ábel wechselt die Farbe. Ihm und der Clique blickt ein Fremder aus dem Spiegel entgegen. Über verschreckten Augen eine alternde Stirn. Die Kohlestäbchen zwischen den Fingern, macht der Schauspieler sich jetzt an die Augenpartie. »Ich dachte mir, ein kleines Fest … Ich arrangiere zu Ehren von uns allen ein Fest, das ihr auch später nicht vergessen werdet. Wir haben ja schon einmal darüber gesprochen, daß wir gemeinsam auftreten sollten … kostümiert, und jeder improvisiert, spricht, was ihm in den Sinn kommt. Ich denke an eine Art Liebhaberaufführung … Nur müßte jeder eben auf eigene Faust spielen.«
Er klebt Ábel ein graues Ziegenbärtchen ans Kinn, reißt es wieder ab und wirft es weg, probiert es mit dem Backenbart. »Dies ist jetzt der Augenblick. Alle Kostüme stehen euch zur Verfügung. Auch die Bühne. Und die gesamte Dekoration. Der Zuschauerraum ist leer. Wir spielen nur für uns. Bis zum Morgen sind wir allein, ich habe alles arrangiert. Für diese Nacht gehört alles uns, Theater, Zuschauerraum, Bühne.« Der Schauspieler lächelt selbstgefällig. Er entscheidet sich für den Backenbart und klebt noch zwei Silbersträhnen neben die Ohren. Der süßliche Mastixgeruch breitet sich im Raum aus. »So, das ist gar nicht schlecht«, meint er und betrachtet Ábel zufrieden. »Die Lippen sind schmal … Hier fehlt noch ein wenig Enttäuschung. Und hier etwas Zweifel. Da noch … entschuldige, mein Engel, wir haben es gleich … ein bißchen Einsicht und Überlegenheit, dazu etwas Hilfloses und Versöhnliches.«
Von einem Augenblick zum andern macht Ábel unter seinen Händen eine Verwandlung durch. Alle treten stumm hinter ihn und staunen. »Es ist keine Zauberkunst, keine Hexerei«, deklamiert der Schauspieler und geht noch einmal blitzschnell mit Kamm und Kohle übers Gesicht, betont hier und dort einen Strich, schiebt Härchen zurecht oder mildert scharfe Kanten. »Kein Paktieren mit dem Teufel.« Er bürstet die Wimpern in Form. »Nur Sachverstand und Handfertigkeit. Stell den Uhrzeiger um dreißig Jahre vor, dann stimmt’s.« Schlägt sich das Handtuch unter den Arm, steckt den Kamm hinters Ohr und macht auf Figaroart einen Kratzfuß. »Reverenz, meine Herren. Ich bitte den nächsten.«
Ábel steht unsicher auf. Der Kreis hinter ihm weicht zurück. Inzwischen hat der Schauspieler schon Ernő im Visier. »Kaltes Herz, grüne Galle«, deklamiert er, »Stachel der Kabale, Natternzunge, und noch die Stelle für den Buckel. Ohne Warze kommst du mir nicht davon.« Er drückt ihn auf den Sitz vor dem Spiegel. Ábel steht in der Ecke, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Eine große Ruhe bemächtigt sich seiner. Die Maske hat etwas Beruhigendes. Man kann sich hinter ihr verbergen und denken, was man will. Er betrachtet Tibor und lächelt überlegen. Die anderen umringen ihn, der Einarmige beschnuppert Ábel neugierig und geht im Bogen um ihn herum. Die Maske ist überzeugend und solide. Tibor starrt ihn mit großen Augen an. Ábel lacht, und an den Gesichtern seiner Freunde erkennt er, daß auch sein Lachen verändert ist, sie sehen mit Ernst und Andacht auf ihn.
»Treiben wir die Natur zur Eile an«, sagt der Schauspieler, der sich inzwischen in Ernő vertieft hat, »korrigieren wir sie. Das ist alles. Eure Reife werde ich«, er setzt Ernő eine feuerrote Perücke auf, »ein wenig unterstreichen; wenn schon erwachsen, dann auch richtig erwachsen«, und pappt ihm ein scharlachrotes Bärtchen auf die flaumlose, sommersprossige Oberlippe, »und mit allen Konsequenzen.
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